berdeck  Auf dem Oberdeck in der Abteilung erster Klasse standen Engländer herum, die jede Gemeinsamkeit auf das peinlichste vermieden und nach Möglichkeit sich im undurchbrechbar eigenen Kreis absonderten; sie waren untadelhaft rasiert, und ihre Halsbinden lagen in vorschriftsmäßigen Falten, ihre steifweißen Hemdenkragen besaßen die makellose Glätte von Bristol-Papieren, ihre Hände staken in nagelneuen dänisch-ledernen Handschuhen, spiegelnd glänzte ihr Schuhwerk. Es war, als seien sie just einem Gefach ihres Reisenecessaires entstiegen. Die Korrektheit ihres Äußern war vollkommen und zeigte keinen der kleinen Mängel, wie sie wohl auf Reisen entstehen. Da gab es Lords, Mitglieder des Unterhauses, Großkaufleute, Schneider aus der Regent Street und Messerfabrikanten aus Sheffield, und alle waren gleich gesittet, ernsthaft, unbeweglich und gelangweilt.

An Frauen fehlte es auch nicht; denn die Engländerinnen sind nicht wie Frauen anderer Länder seßhaft, und der geringste Anlaß genügt, sie aufzuscheuchen von ihrer Insel. Neben ältlichen Ladys, herbstlicher Schönheit von allzu lebhafter Färbung, zeigten sich blau verschleiert jugendliche Fräulein mit einer Haut wie Schlagsahne und Erdbeeren, blond glänzenden Ringellocken und kräftigweißen Zähnen, die an das Schönheitsideal der Almanache erinnerten und für oft angezweifelte Farbstiche von der anderen Seite des Kanals den Wahrheitsbeweis erbrachten. Ein jedes dieser reizenden Wesen gab mit freundlich britischem Akzent die klassische Formel von sich: »Vedi Napoli e poi mori«; alle blätterten in ihrem Reiseführer oder schrieben ihre Eindrücke in einem Reisetagebuch nieder, ohne im mindesten den Verführerblicken einiger sie umkreisenden Pariser Gecken Beachtung zu schenken. Die erbosten Mütter hingegen hielten sich halblaut über französische Ungezogenheit auf.  - Théophile Gautier, Jettatura. Frankfurt am Main 1985 (st 1161, zuerst 1856)


Schiffsdeck

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