othelfer
Seitdem wir Koblenz und Verdun zum erstenmal verlassen
hatten, hatten unsere Leute, sowie unsere Offiziere, sich um das liebe
Frauenzimmer wenig bekümmern können, aber jetzt, nachdem sie sich nach
und nach erholt hatten, regte sich auch das Geschlechtsbedürfnis wieder
bei ihnen, und dazu fanden sie in und um Frankfurt Nahrung genug. Dem
hochweisen Magistrat dieser Reichsstadt muß man es zwar nachrühmen, daß
er die Hurerei unter dem Schutz der Gesetze nicht so erlaubt, wie z.B. Berlin, wo noch 1792
eine Verordnung, die Lohnhuren betreffend, herauskam; aber
demohnerachtet hat es in Frankfurt an feilen Schwestern niemals gefehlt.
Seit der Emigrantenzeit war auch dort in der Gegend das Sittenverderben
sehr eingerissen, und das Frauenzimmer, welches ohnehin in den
Rheingegenden fürchterlich verliebt ist, hatte nun alle Scham und Scheu
abgelegt und war für jeden. Frankfurt war besonders der Sammelplatz
feiler Menscher von hohem Kaliber und niederer Ordnung, wie man sie
haben wollte, von 6 Kreuzern an bis zu 6 Talern rheinisch. Auf den
Dörfern liefen auch Nymphchen dieser Art in Menge herum, welche meist
aus dem Darmstädtischen hinkamen: selbst Bauernweibel und Bauernmädel
machten sich kein groß Gewissen daraus, einem lüsternen Kerl aus der Not
zu helfen.
- F.C. Laukhards, vorzeiten
Magister
der Philosophie und jetzt Musketiers
unter dem Thaddenschen Regiment zu Halle, Leben und Schicksale, von ihm selbst
beschrieben und zur Warnung für Eltern und studierende Jünglinge herausgegeben.
Fünf Teile, 1792–1802
Nothelfer (2) Ich richtete mich auf, um seinen Nothelfer zu begutachten. Aber Gott steh mir bei, so was hatte ich wirklich noch nicht gesehen. Bis auf den Nabel und höher hinauf noch reichte dieser Balken und hatte eine Dicke, die ihn beängstigend machte. Der Kopf allein war größer als bei anderen der ganze Stempel. »Na«, meinte Zenzi, »der ist doch einen Gulden wert. . .?«
Karl warf die Zigarette weg und legte sich auf Zenzi.
»In Gottes Namen . . .« sagte er. Zenzi rutschte hin und her unter ihm und
bat: »So komm doch . . . komm!« »Steck dir'n selber hinein . . .« brummte er
grob. - Josefine Mutzenbacher. Die Lebensgeschichte einer
wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt. München
1969 (zuerst
1906)
Nothelfer (3)
Die Nächsten
oder die wir Freunde nannten, verschwiegen sich entweder ganz oder entzogen
sich ihrer Pflicht mit ein paar fadenscheinigen Worten über die schweren Kriegszeiten,
die ihnen nicht zu helfen erlaubten. Der Begriff Verwandtschaft
versagte völlig. Man frage heute hundert Menschen, ganz gleich welchen Standes
und ob es Verschonte oder Betroffene sind, neunundneunzig werden mit einem wegwerfenden
Zug um den Mund antworten: Lieber Fremde als Verwandte! Dies sei als Tatsache
festgestellt, ohne jede Bitterkeit und ohne voreilige Schlüsse daraus zu ziehen.
Halten wir uns lieber an die beglückende Erfahrung, daß statt dessen die bisher
Fernsten, nur flüchtigen Grußbekanntschaften manchmal, oder solche, mit denen
man beruflich zu tun hatte, freiwillig in die Bresche traten, und das mit einer
solchen Selbstverständlichkeit und mit so viel zarter Wärme, daß man sich beschämt
fragen muß, ob man im umgekehrten Falle ebenso gehandelt hätte. - Hans
Erich Nossack, Der Untergang. Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1948)
Nothelfer (4)
Pater Sebastianus erzählt vom Heiligen Dionysius, dem der
Kopf abgeschlagen wurde. Kaum hatte man Dionysius enthauptet, stand er auf,
nahm seinen Kopf in die Hände und ging noch fünfeinhalb Meilen an der Seine
entlang bis zu dem Ort, wo er begraben zu sein wünschte. Ich muss an die Geschichte
von Schinderhannes denken, die ich in einem Jugendbuch gelesen habe. Schinderhannes
wird auch enthauptet. Er hat aber zuvor ausgemacht, dass alle Männer aus seiner
Bande freigelassen werden, an denen er ohne Kopf vorbeilaufen kann. Man schlägt
ihm den Kopf ab, er läuft los und bricht erst nach dem siebten Räuber zusammen.
Ein Räuber rettet seine Kameraden. Der Heilige Dionysius zeigt nur, wo er begraben
werden will. Dafür heilt er uns als einer der 14 Nothelfer vom Kopfweh.
- (raf)
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