omadenzelt Drinnen ist es dunkel, zwei Öllampen brennen angestrengt. Er sieht Wandteppiche, Matten, Urnen, eine Sitzstange, auf der zwei Raubvögel - Würgfalken — in aller Ruhe eine Wüstenspringmaus ausweiden. Der Entdeckungsreisende sieht sie in dem Moment, als der eine gerade ein langes Stück Darm erwischt hat und daran zu zerren beginnt wie ein Rotkehlchen an einem Wurm. „Salaam aleikhem", sagt Ali, und da sitzt sie, auf einem Kissen so groß wie ein Doppelbett. Der Entdeckungsreisende ist wie vom Donner gerührt. Mit einer dicken Frau hatte er gerechnet, aber das hier... das ist unmöglich! Sie ist gargantuesk, elephantoid, ihr großer gebundener Turban und die schimmernde jubbah wie zwei Zirkuszelte, ihr Schatten tanzt und wogt in dem unruhigen Licht, bis er den gesamten Raum erfüllt. Ihre Dienerinnen — zwei Mädchen in wehenden Pluderhosen und eine uralte Frau - sitzen ihr zu Füßen wie Oliven, die in einem surrealistischen Stilleben um eine Melone gruppiert sind.
Mungo kann ihr Gesicht nicht erkennen, das hinter dem yashmak
- dem Schleier aus doppelt gelegtem Haartuch, das Moslemfrauen in der Öffentlichkeit
tragen - verborgen bleibt, doch ihre Füße und Hände beeindrucken ihn sofort.
Klein und zierlich schwimmen sie an den Enden der aufgedunsenen Extremitäten
wie Enten auf einem Teich. Er ist fasziniert. Ihre Finger und Zehen sind
mit Ringen geschmückt, und aus irgendeinem Grund - vielleicht um die Aufmerksamkeit
auf ihren Liebreiz zu lenken - sind sowohl Hände wie Fuße safrangelb gefärbt.
Der Effekt ist verblüffend. Als sie ihm endlich den Kopf zuwendet, schnappt
sie nach Luft und stoßt ein leises Quietschen
aus. Ali stürzt zu ihr, quasselt etwas auf arabisch. Als sie ihm antwortet,
klingt ihre Stimme sanft und sinnlich wie ein milder Regen im Sonnenschein.
- T. Coraghessan
Boyle, Wassermusik. Reinbek bei Hamburg 1990
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