irvana   Das Wort nirvana, das soviel wie »erlöscht« oder »ausgegangen« heißt, hängt mit »Wind« zusammen und kann mit »Windstille« übersetzt werden. Wie im Zentrum des Zyklons absolute Windstille herrscht, so erlöscht nach buddhistischer Auffassung auch der nach Befreiung Strebende inmitten der Geschäftigkeit und Unruhe des Lebens.

Zwar wird bisweilen der Begriff nirvana so gebraucht, als ob er einen Zustand beschreibe, und der Vollendete wird manchmal als »kühl wie der See trotz Sommerglut« charakterisiert, aber es handelt sich bei dem Wort - wie etwa bei dem Kantschen »Ding an sich« - um einen »Grenzbegriff«, der eine andere Funktion in der Sprache hat als die Worte, die sich auf irgend etwas Erfahrbares oder Nichterfahrbares beziehen.

Als der Buddha seinen letzten Seufzer getan hatte, sprach Ananda zu Anuruddha: »Nun ist der Erhabene ins parinirvana emgegangen.« Doch Anuruddha belehrte ihn: »Nein, Freund Ananda, der Erhabene ist nicht ins parinirvana eingegangen. Er hat nur die Zerstörung von Bewußtsein und Empfindung erlangt.«

Denn wenn, wie einige Gelehrte behaupten, das nirvana ein Zustand der Kühle und Ruhe wäre, vergleichbar einer tiefen Trance, dann wäre es nur ein weiterer Zustand im Strudel des samsara.

So sagt auch Nagarjuna, nirvana sei keine »Leere«, sondern »jenseits von >leer< und >nicht-leer<«, denn als »Leere« stünde es ja im Gegensatz zu maya, wäre also durch maya bedingt und mithin selber maya.

Nirvana bezeichnet also kein »ozeanisches Gefühl«, kein »protoplasmic awareness«, keine »intrauterine Urlust« und dergleichen mehr - Zustände, die Äonen von der Befreiung entfernt sind.

»Ein satori-Erlebnis«, sagt Shizuteru Ueda, »das noch Erlebnischarakter hat, ist kein satori-Erlebnis. Wenn jemand noch glücklich ist, hat er kein satori-Erlebnis.« Und als Sariputta, der das nirvana als »Glück« bezeichnet hatte, von einem bhikku zur Rede gestellt wurde, erläuterte er dies dahingehend, daß das Glück eben darin bestehe, daß es im nirvana keine Empfindung mehr gebe.

Wer sich also glücklich fühlt oder befreit, wer die Wahrheit erkennt oder Visionen hat, wer spürt, daß Ruhe und Frieden in ihn einziehen, der hat nicht nur das nirvana verfehlt, sondern hat sich auch von ihm weiter entfernt, statt ihm näherzukommen, denn er ist in die Falle des Pseudo-nirvana gelaufen. - Hans Peter Duerr, Sedna oder die Liebe zum Leben. Frankfurt am Main 1984

Nirvana (2)  Aber das Fernsehen ist schlechthin vollkommen. Man dreht ein paar Knöpfe, bedient ein paar von den mechanischen Einstellvorrichtungen, in denen es die höheren Affen so herrlich weit gebracht haben, und lehnt sich zurück und läßt alle Gedanken aus seinem Kopf wegsickern. Und dann sitzt man da und betrachtet die Blasen im Urschlamm. Konzentrieren muß man sich nicht dabei. Reagieren muß man auch nicht. Man braucht sich an nichts zu erinnern. Seinen Verstand vermißt man nicht, weil man ihn gar nicht benötigt. Herz, Leber und Lunge funktionieren weiterhin normal. Davon abgesehen ist alles friedlich und still. Man befindet sich im Nirwana des kleinen Mannes. Und wenn ein garstiger Mensch daherkommt und sagt, man sähe aus wie eine Fliege am Müllkübel, dann beachtet man ihn einfach gar nicht. Wahrscheinlich verdient er bloß nicht genug, um sich einen Fernseher zu leisten. - (cha)

 Nirvana (3)  Es gibt, ihr Mönche, ein Bereich, wo weder Festes noch Flüssiges ist, weder Hitze noch Bewegung, weder diese Welt noch jene Welt, weder Sonne noch Mond. Das, ihr Mönche, nenne ich weder ein Kommen, noch ein Gehen, noch ein Stillestehen, weder ein Geborenwerden, noch ein Sterben. Es ist ohne jede Grundlage, ohne Entwicklung, ohne Stützpunkt: das eben ist das Ende des Leidens.  - Buddha

 Nirvana (4)  Die Etymologie des Wortes Nirwana wird verschieden angegeben. Nach Colebrooke kommt es von Wa , wehen, wie der Wind, mit vorgesetzter Negation Nir , bedeutet also Windstille, aber als Adjektiv »erloschen«. - Auch Obry, du Ntrvana Indien, sagt: Nirvana bedeutet im Sanskrit wörtlich Erlöschen, z. B. eines Feuers. -Navh dem Asiatic Journal, Vol. 24, p. 735, heißt es eigentlich Nerawana, von nera , ohne, und wana, Leben, und die Bedeutung wäre anihilatio [Vernichtung], - Im Eastern Monacbism, by Spence Hardy, wird Nirwana abgeleitet von Wana , sündliche Wünsche, mit der Negation nir. - J. J. Schmidt, in seiner Uebersetzung der Geschichte der Ostmongolen,  sagt, das Sanskritwort Nirwana werde im Mongolisdien übersetzt durch eine Phrase, welche bedeutet: »vom Jammer abgeschieden«, - »dem Jammer entwichen«. — Nach des seiben Gelehrten Vorlesungen in der Petersburger Akademie ist Nirwana das Gegentheil von Sansara , welches die Welt der steten Wiedergeburten, des Gelüstes und Verlangens, der Sinnentäuschung und wandelbaren Formen, des Geborenwerdens, Alterns, Erkrankens und Sterbens ist. - In der Burmesischen Sprache ward das Wort Nirwana, nach Analogie der übrigen Sanskritworte, umgestaltet in Nieban und wird übersetzt durch "vollständige Verschwindung".  - Arthur Schopenhauer, Über den Tod und sein Verhältniß zur Unzerstörbarkeit unseres Wesens. In (wv)

 

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