irgendwo
New York war ein unerschöpflicher Raum,
ein Labyrinth von endlosen Schritten, und so
weit er auch ging, so gut er seine Viertel und
Straßen auch kennenlernte, es hinterließ in ihm immer das Gefühl, verloren zu
sein. Verloren nicht nur in der Stadt, sondern auch in sich selbst. Jedesmal,
wenn er ging, hatte er ein Gefühl, als ließe er sich selbst zurück, und indem
er sich der Bewegung der Straßen überließ, sich auf ein sehendes Auge reduzierte,
war er imstande, der Verpflichtung zu denken zu entgehen, und das brachte ihm
mehr als irgend etwas sonst ein Maß von Frieden, eine heilsame Leere in seinem
Inneren. Die Welt war außerhalb seiner selbst, um ihn herum, vor ihm, und die
Schnelligkeit, mit der sie ständig wechselte, machte es ihm unmöglich, bei irgendeiner
Einzelheit lange zu verweilen. Die Bewegung war entscheidend, die Tätigkeit,
einen Fuß vor den anderen zu setzen und sich einfach von seinem eigenen Körper
treiben zu lassen. Durch das ziellose Wandern wurden alle Orte gleich, und es
war nicht mehr wichtig, wo er sich befand. Auf seinen besten Gängen vermochte
er zu fühlen, daß er nirgends war. Und das war letzten Endes alles, was er je
verlangte: nirgends zu sein. New York war das Nirgendwo, das er um sich her
aufgebaut hatte, und es war ihm bewußt, daß er nicht die Absicht hatte, es jemals
wieder zu verlassen.
- Paul Auster, Die Stadt aus Glas. in: P. A., Die New-York-Trilogie.
Reinbek bei Hamburg 1991