Niesen  Einige Meister der Naturkunde sagen, daß das Niesen dem Schlagfluß nahesteht, denn wenn die starken Winde das Gehirn verstopfen und nicht hinausdringen, dann träfe den Menschen sehr bald der Schlag. Und darum nennen manche Meister dieses die kleine Apoplexie, das heißt den kleinen Schlagfluß. Denn wenn der Mensch niest, hat er viele seiner Körperteile gar nicht in der Gewalt, aber durch Gottes Gnade dauert dies nicht lange.   - (hart)

Niesen (2)   Ist das Blut in den Adern eines Menschen nicht wach und flink, sondern liegt es darin, als schliefe es, und sind die Säfte im Menschen nicht schnell, sondern träge, so merkt dies die Seele in ihrer Natur und erschüttert durch Niesen den ganzen Körper und läßt das Blut und die Säfte wieder wach werden und zu ihrem Stande zurückkehren. Denn würde das Wasser nicht durch Stürme und Überschwemmungen bewegt werden, so ginge es in Fäulnis über, und so würde auch der Mensch, der nicht niest oder seine Nase nicht durch Schneuzen reinigt, innerlich faulen. - (bin)

Niesen (3) In der Tat habe ich selbst von einem Mann aus Megara — und dieser wieder von einem Terpsion — gehört, Sokrates' Daimonion sei ein Niesen gewesen, sein eigenes ebensogut wie das eines anderen. Habe einer zu seiner Rechten, gleichgültig, ob vor oder hinter ihm, geniest, so sei ihm das ein Anstoß zum Handeln gewesen; aber ein Niesen zur Linken habe ihn veranlaßt, davon abzustehen. Sei er noch im Zweifel gewesen, so sei sein eigenes Niesen ihm ein Ansporn gewesen; wenn er aber schon in der Ausführung begriffen gewesen sei, so habe es Einhalt geboten. Aber dabei war es mir doch erstaunlich, wenn er wirklich sich nach dem Niesen gerichtet hat, warum er dann seinen Freunden gegenüber nicht dieses, sondern das Daimonion als die Ursache bezeichnete, die ihn antrieb oder zurückhielt.  - (plu)

Niesen (4)  Stellt euch vor: ein Mann unternimmt eine Reise. Unterwegs hört er jemand niesen. Sieht er das für ein gutes Zeichen an, geht er weiter. Meint er hingegen, es sei ein schlechtes Omen, setzt er sich sogleich hin, und oft kehrt er sogar um. Es mag sich zutragen, daß ein Wanderer einen Menschen niesen hört. Er setzt sich hin und macht keinen Schritt mehr. Jener andere niest ein zweites Mal, da nimmt der Wanderer seinen Weg wieder unter die Füße. Wenn das Niesen ausbleibt, geht er heim. - (polo)

Niesen (5)  Es herrschte eine brütende Hitze; es war die Zeit, da die Insekten, Heimchen, Spinnen und Mücken die alten Häuser mit den Geräuschen ihres Schabens und unterirdischen Bohrens füllen.

»Fledermaus« überquerte langsam den Balkon, wie ein Frettchen, das sich zu Hause fühlt. Sie blieb länger als eine Viertelstunde in der Küche und kam dann wieder, um noch mehr Wäsche aufzuhängen. Sie fegte die Treppe, auf der ein paar Strohhalme lagen, mit einem alten Besen und hob auf einmal den Kopf. Mit ihren grünen Augen sah sie zum Dach hinüber. Ihr Blick irrte hin und her, sie suchte etwas.

Welch merkwürdiger Instinkt ließ sie etwas vermuten? Ich weiß es nicht, aber ich schob vorsichtig die Schieferplatte zurück und verzichtete an jenem Tag darauf, meinen Beobachtungsposten wieder einzunehmen.

Am nächsten Morgen schien sich die »Fledermaus« beruhigt zu haben. Ein winziger Lichtstreifen war bis auf den Balkon vorgedrungen.

Im Vorübergehen fing sie eine Fliege aus dem Flug heraus und führte sie vorsichtig einer Spinne zu, die es sich unter der Dachrinne heimisch gemacht hatte.

Die Spinne war so fett, daß ich sie, trotz der Entfernung, stufenweise herunterkommen sah, bis sie sich an einem dünnen Faden, wie ein Tropfen Gift, nach unten senkte, die Beute aus der Hand der alten Hexe entgegennahm und rasch wieder hinaufkletterte. Die Alte sah gespannt zu und hielt ihre Augen halb geschlossen; sie mußte niesen und sagte spöttisch zu sich selber:

»Gesundheit, meine Schöne, möge Gott dir Gesundheit schenken!« - Erckmann-Chatrian, Das unsichtbare Auge oder Die Herberge der Gehenkten. Frankfurt am Main 1979. In: Das unsichtbare Auge. Eine Sammlung von Phantomen und anderen unheimlichen Erscheinungen.  (st 477, zuerst 1862)

Niesen (6)  

Wut des Niesens

Tesch,      Haisch, Tschiiaa

Haisch, Tschiiaa
Haisch, Happaisch
Happapeppaisch
Happapeppaisch
Happapeppaisch
Happapeppaisch
Happa peppe

TSCHAA!

 - Kurt Schwitters, nach: Raoul Hausmann & Kurt Schwitters: PIN. Giessen 1986  (entst. ca. 1948)

Niesen (7) In der chinesischen Geschichte vom perfekten Henker bleibt dem Enthaupteten sein Kopf und er weiß nicht, daß dieser beim kleinsten Nieser auf der Erde rollen wird.  - (cort)

Niesen (8)

Niesen (9)

Niesen (10)  Witz ohne Ernst? Davon hat Heinrich Heine gesagt, Witz ohne Ernst sei nur »ein Niesen des Verstandes«.   - Walter Höllerer, Vorwort zu: Die Elephantenuhr. Vom Autor gekürzte Ausgabe. Frankfurt am Main 1975 (st 266)

Niesen (11)

Niesen (12) Als sie alle so traurig und weinend um die Wiege des Neugeborenen herumstanden, trat plötzlich ein Alter ein.

»Ist ein Kindlein zur Welt gekommen?« fragte er. »Ja, es ist geboren«, antwortete man, »schaut nur her: es ist noch hübscher als seine armen Geschwister waren.« »Und warum weint ihr so, liebe Leute? Man meint, daß man anstatt in einem Geburtshaus in einem Trauerhaus sei.« »Oh, du kennst die Geschichte noch nicht, Alter?« sagte seufzend die Mutter, »Alle meine Kinder sind kurz nach der Geburt verstorben, kaum daß ich sie zu Gesicht bekommen habe. Einer nach dem ändern ist mir gestorben, und nun habe ich Angst, daß es mit diesem genauso geht.«

Der Alte beugte sich zur Wiege des Kindes, lächelte und sagte: »Ist das alles, gute Leute? Oh, wenn ich das früher gewußt hätte, so hätte ich schon rechtzeitig vorgesorgt. Aber für diesmal kann ich euch helfen. Seid ruhig! Und du, Mütterchen, trockne deine Tränen, du brauchst mir nur zu folgen. Paß auf: nimm deinen Kleinen und setze ihn auf deinen Schoß! So, gut! Halte ihn so lange, bis ich dir eine andere Weisung gebe.« Das Neugeborene begann vor Kälte zu niesen, und sogleich rief der Alte feierlich: »Dominicus tecum, mein Sohn!«

Im gleichen Augenblick erschien ein schrecklicher Laminak, durchquerte das Zimmer und verschwand im dunkeln Kamin. Von da ab starb in diesem Hause kein Kind mehr gleich nach der Geburt, und auch nicht in der Welt draußen. - Baskische Märchen. Übs. und Hg. Felix Karlinger und Erentrudis Laserer. Düsseldorf, Köln 1980 (Diederichs, Die Märchen der Weltliteratur)

Niesen (13)  Wenn man nieset, wil man ein Wort sagen.

Ich niese gern; um aber dieß oft zu thun, muß man kein Schnupftuch nehmen.

Kein Mensch hat es noch in Druk bemerkt, daß es ein Vergnügen ist, zu niesen

Manche halten sogar das Niesen für zu kühn und laut.

Um lange fortzuniesen — kein schwaches Vergnügen — so athme man nur sogleich nach dem Niesen durch die Nase aufwärts; überhaupt ist die Kunst und Notwendigkeit des Niesens noch wenig bestimmt

Die Nase ist oft ihr eigner Tabak, sobald man das Schnupftuch wegläßt bei dem Niesen.

Unter dem Niesen, zumal öftern, spürt man, das Angenehme der Ausleerung ausgenommen, etwas Zürnendes über den mechanischen Eingriff der Lunge in die eigene Freiheit.- Jean Paul, nach (idg)


Nase Schnupfen

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