ieren Es war einmal ein Kaiser, der hatte einen Sohn. Dieser Sohn war ein Held ohnegleichen. Eines Tages zog er auf Heldentaten aus. Es verging eine geraume Zeit, und er wanderte und wanderte, bis er an einen Wald kam. Und da setzte er sich in den Schatten eines Baumes und schlief ein. Da hatte er einen Traum: Er solle sich erheben und zu dem Hügel hingehen, denn dort seien die Pferde des Drachen. Aber er müsse immer geradeaus gehen, daß er ja nicht den Mann ohne Nieren verfehle, der so laut schreie.
So brach er auf. Und er kam wirklich zu dem Mann ohne Nieren. Und als er
zu ihm kam, fragte er ihn: »He, warum schreist du so?« Er sagte: »Siehe, ein
Böser hat mir meine Nieren genommen und hat mich so gelassen, wie du mich siehst.«
Da sagte ihm der Knabe: »Verweile hier ein wenig, bis ich an diesen Ort wieder
zurückkomme.« Und er ging drei Tage und drei Nächte, bis er zu jenem Hügel kam.
Er setzte sich nieder, aß und ruhte sich aus. Dann stand er auf und ging zum
Hügel. Als die Pferde ihn sahen, liefen sie auf ihn zu und wollten ihn fressen.
Der Knabe rief ihnen entgegen: »Preßt mich nicht, denn ich werde euch Heu von
Tausendschönchen und Gänseblümchen geben und frisches Wasser.« Da sagten die
Pferde: »Sei unser Herr, und gib uns, was du gesagt hast.« Der junge Held sagte
zu ihnen: »Seht, Pferde, wenn ich nicht halte, was ich euch versprochen habe,
so mögt ihr mich töten und auffressen.« So machte er sich auf den Weg und ging
mit ihnen nach Hause. Und er brachte sie in die Scheune und gab ihnen frisches
Wasser und Heu von schönen Blumen. Danach kam er auf einem kleinen Pferde heraus
und brach zu dem Manne ohne Nieren auf. Er fragte diesen, wie jener Drache heiße,
der ihm seine Nieren genommen habe, und erhielt zur Antwort: »Ich weiß nicht,
wie er heißt, aber ich weiß, daß er in die andere Welt gegangen ist.« Da machte
sich der junge Held auf und kam bis ans Ende der Welt, und er ließ sich hinunter
und gelangte ins Jenseits. Da sagte er zum Drachen: »Heraus mit dir, damit ich
sehe, was für ein Mensch du bist.« Als der Unhold den Jüngling hörte, ging er
hinaus und wollte ihn schlachten. Doch der junge Held nahm die Heldenkeule
und den Dolch und schleuderte mit der Keule, und in
demselben Augenblick band er ihm rücklings die Hände. Und der Held sagte: »He,
Unhold, jetzt sage mir sofort, wo die Nieren meines
Bruders sind. Sonst töte ich dich jetzt sogleich.« Da sagte der Unhold: »Dort
in einem Topfe sind sie, gehe hin und hole sie.« Und der Knabe fragte ihn: »Doch
wenn ich sie nehmen werde, was soll ich mit ihnen machen?« — »Wenn du sie nimmst,
tue sie ins Wasser und gib sie ihm zu trinken.« Der Knabe tat, wie er ihm sagte.
Er ging zum Manne ohne Nieren, tat die Nieren ins Wasser und gab sie ihm zu
trinken. Kaum hatte er sie getrunken, als er sich erhob und den Knaben begrüßte
und sprach: »Ein Bruder seist du mir, bis wir sterben werden, ich und du wollen
die ganze Welt durchwandern.« Da schlossen sie Brüderschaft und gingen auf Heldentaten
aus. Einen jeden, den sie auf ihrem Wege trafen, töteten sie. -
(zig)
Nieren (2) Der Wasserbehälter, der Sumpf, der zu dem Menschenbaum gehört, ist die Niere. Wenn man auch die Zellen in ihr nicht so vielfältig zu unterscheiden vermochte, so wüßte man doch, daß in dieser Niere alle nur denkbaren Wasserwesen zu leben vermögen, die kaum unterscheidbaren Zellen sind ihrer Natur nach verschieden. Die einen sind Würmer, die andren mögen Wasserschnecken, die weiteren mögen Larven von Insekten sein, so wie wieder ein andrer Teil die Wasserpflanzen selbst darstellt. Der Sumpf lebt nicht nur von der eignen Vegetation, sondern auch von all den Stoffen, die in ihn hineingetragen werden. Wenn die Niere, das Wassergebiet des Menschen, in einer solchen Verwesung ist, daß dort keine Wesen mehr leben, wenn dieses Gebiet verdorrt ist, und die Bodenschichten, in denen das Nierenwasser aufgefangen wird, das Wasser überall hin versinken lassen, in den übrigen Körper, dann gibt es auch aus dieser Quelle her keine aufsteigenden Kräfte mehr im Menschen.
Es ist unsre Erfahrung, daß jene Wesen, die von der Niere oder
dem menschlichen Wasserbecken her durch die Verwandlung in das Fliegende aufgestiegen
sind, in der Schilddrüse ihren vorübergehenden Sitz haben. Sie verbrauchen sich
natürlich im Leben und müssen nachgeschaffen werden, denn keinem Organ genügt
der Bestand und die Dauer, sondern es wird und wird verbraucht. -
Ernst Fuhrmann, Der Weg in die Zukunft. Nach (
fuhr
)
Nieren (3) Mir vergingen die Sinne,
der Kitzel war zu stark, ich mußte meine Lider senken. Da erblickte ich die
herrlich geschwungene Rute, gleich dem Horn eines Stiers
sich bäumend. Ich bewegte die Haut nicht, dennoch drang das stolze, purpurfarbige
Haupt heraus. Ich spürte, wie es zuckte, und einen
elektrischen Schlag in meiner hohlen Hand, die den Kanal berührte, durch welchen
der Lebenssaft dringt. Wie der Strahl eines Springbrunnens, so spritzte der
milchweiße Saft in die Höhe, mein Mund war offen, da ich nach Luft schnappte,
so daß ich alles erhielt, was sich aus seinen Nieren ergossen. In eben diesem
Augenblicke fühlte ich, daß es auch bei mir übersprudelte, und es war ein solcher
Erguß, daß er seine ganze hohle Hand füllte, als hätte er damit aus einer Quelle
Wasser geschöpft. Rasch zog er sie unter den Röcken hervor und verschluckte
alles, was darin war, ja, er leckte noch die Ränder seiner Hand und zwischen
seinen Fingern mit der Zunge ab. Wie erwähnt, hatte ihn das niemand gelehrt,
die Natur war seine alleinige Lehrmeisterin, und er folgte ihren Eingebungen.
- Aus den Memoiren einer Sängerin. München 1970 (zuerst 1861)
|
||
|
||