ichtgott
»Sehen Sie«, sagt eine Stimme an meiner Seite - eine Stimme, die sich mit
mir zusammen fortbewegt und folglich jemandem gehört, der auf die gleiche Art
und in die gleiche Richtung läuft wie ich -, »sehen Sie mich an, ich bin die
Amphisbaena, ich habe Titel, oder sagen wir« - sie schien außer Atem - »ich
habe Talente; aber ein Gott zu sein, das käme mir nicht im Traum in den Sinn.
Nicht, daß sie es mir nicht angeboten hätten, bewahre! Sie haben zu mir gesagt:
>Du kannst Sachen, die kein anderer .. .<. Nun, wie Sie wissen, kann ich
vorwärts und rückwärts laufen, aber ich kann nicht stillstehen, wenigstens wäre
das momentan nicht günstig für mich. Und wissen Sie, was ich den Leuten antworte?
Bitte schon, sage ich, ich will gar kein Gott sein - nicht, weil das kein schöner
Beruf wäre, mit Berufsregister, Krankenversicherung, Wunderwirken, Aufstehen
wann man will und jede Menge Vergnügen. Aber, lieber Herr, wer hält es schon
mit den Theologen aus? Die fragen dich gleich: ›Warum, Herr Amphisbaena, gehen
Sie vorwärts und rückwärts?‹ Oder besser: ›Was treibt Sie dazu, einmal in eine
und einmal in die andere Richtung zu gehen? Wir müssen
das nämlich wissen‹, sagen sie, ›um eine Raumtheorie zu entwickeln, die Ihrer
Funktion als Gott entspricht‹. Nein, liebe Herren, ich kann darauf verzichten,
ein Gott zu sein. Wissen Sie, was die gesagt haben? Mein Kopf sei auf der einen
Seite Liebe und auf der anderen Haß.
Oder auch: ich wäre die Inkarnation der Zeit, ich würde in der Vergangenheit,
in der Gegenwart und in der Zukunft verkehren. Die Theologen, wissen Sie - gehen
Sie nur, gehen Sie, ich halte schon Schritt - die Theologen
sind nie Gott gewesen. Nie. Das ist ein Handicap. Und da sage ich mir: Warum
werde ich nicht Theologe? Ich bin zwar kein Gott, aber ich besitze Talente,
wie ich schon sagte. Ich könnte mich auch, wie Sie gedacht haben, mit einem
falschen Gott zusammentun, dann würde es nur so hageln von Theorien.
Der Kosmos. Die Wunder. Die Vergangenheit usw. Doch dann sage ich mir - entschuldigen
Sie, ich will nur mal eben die Köpfe wechseln, da ruhe ich mich aus (sie verkehrt
blitzartig Kopf und Schwanz) - dann sage ich mir, wozu denn, ich mache es einfach
so: ich bin ein Nichtgott und denke mir selbst eine Theorie für Nichtgötter
aus. Ganz alleine. Oder wollen Sie mir helfen?«
»Ich bin noch viel weniger als ein Nichtgott, lieber Herr Amphisbaena. Ich habe Angst vor den falschen Göttern. Aber gibt es denn überhaupt wahre Götter?«
»Hm«, antwortet die Amphisbaena nachdenklich, »ich weiß nicht recht. Vielleicht gibt es einen, der gar keiner sein will. Wetten, daß ich es bin? Aber eigentlich glaube ich es doch nicht. Gesetzt den Fall..., man könnte dann ja immer noch sehen. Würde es Sie interessieren?«
»Sie gefallen mir, Herr Amphisbaena, weil Sie so ehrlich unehrlich sind.«
- (
hoelle
)
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