icht-Wollen
Die Wahrheit ist, daß der Selbstmord,
so wie er heute verübt wird und immer verübt wurde, mich anwidert. Dieses Blut
an den Messern, diese Krämpfe beim Gifttod, diese Zerschmetterungen der zu Tode
Gestürzten, diese Revolverschüsse sind mir immer niedrig, häßlich, blutrünstig
und unwürdig vorgekommen. Warum das Meisterwerk unseres Körpers mit solch brutalen
Schnitten zerstören und das Edle der Seele in diesen widerlichen Blutbädern
ertränken? Die Seele kann alles, sie ist alles, der Wille
ist der Herr der Welt. Es genügt, sterben zu wollen, und zwar ernsthaft, stark
und immerfort zu wollen, und der Tod wird sich nach und nach in uns einnisten
und uns ganz durchdringen, so daß uns nur ein einziger Hauch ins Jenseits befördern
kann. Wollen bedeutet in diesem Fall nicht wollen. Um zu leben, wollen wir immerzu;
um zu sterben, muß man immer weniger wollen und darf nur wollen, nicht zu wollen.
Das ganze Leben besteht aus Anstrengungen: sich nicht mehr anstrengen, überhaupt
nicht mehr, in keiner Weise, damit leert sich das Leben von selbst, fällt in
sich zusammen. -
Giovanni Papini, Ein geistiger Tod. In. G.P., Der Spiegel auf der Flucht (Spiegelfluchten).
Stuttgart 1983.
Die Bibliothek von Babel Bd. 19, Hg. Jorge Luis Borges
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