Ein Mann geht vorbei |
Ein Mann geht vorbei mit einem Brot auf der Schulter. Einer setzt sich hin, kratzt sich, fängt unterm Arm eine Laus, Ein andrer ist mit einem Stock in meine Brust eingedrungen. Ein Holzbein kommt vorbei mit einem Kind an der Hand. Ein andrer zittert vor Kälte, hustet, spuckt Blut. Noch einer sucht im Dreck nach Kartoffelschalen und Knochen.
Ein Maurer fällt vom Gerüst und hat seine letzte Semmel Ein Händler betrügt den Käufer um ein Gramm Gewicht. Ein Bankier fälscht seine Bilanz. Ein Paria schläft mit dem Fuß auf dem Rücken. Irgend jemand geht schluchzend zu einem Begräbnis. Einer putzt sein Gewehr in der Küche. Einer geht vorbei und rechnet mit seinen Fingern. |
- César Vallejo, nach (
mus
)
icht-Ich (2)
Manchmal griff ich nach links ins Regal, wo immer in Reichweite Seuse steht.
Schlug auf. Eine Predigt, in der ich, das wußte ich natürlich, Aufnahme fand.
Und schlürfte die vor Unschuld brausende Seusesprache:
Vil lieben kynder, der diesen grunt allein erreichen kunde, der hette erreichet den aller nehisten, kurtzesten, slechsten, sichersten weg zu der höchsten nehisten warheit, die man yn der zyt ervolgen mag. Zu diesem enist nyemant zu alt noch zu kranck, noch zu dump, noch zu jung, noch zu arme noch zu riche, das were: Non sum, ich inbyn nicht. Ach, was lyt unsprechlich wesen an diesem Non sum! Ach, diesen weg enwil nyemant wanderen, man kere war man ummer kere! Got segen mich, enttruwen, wir syn und wollen und wolden ye syn, ye einer über den andern. Hie myt synt alle menschen also gefangen und gebunden, das sich nyemant lassen enwil; ime were lichter Zehen wercke dann eyn gruntlich lassen.
Bis zum Nichtsein sich lassen, sich Nicht-Ich
sein lassen, bis daraus Ichsagen gelernt wird, wenn man Fichte heißt, und als
Goethe und Nietzsche dann ernten. Nichts als Sprache gründet diesen Weg, aber
nachher fühlt es sich an, als sei man ihn wirklich gegangen. - Heinrich
Seuse, nach: Martin Walser, Tod eines Kritikers. Frankfurt am Main 2002
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