essie
France-Inter bedachte uns mit einer Sendung, die ein wahrer Forschungsreisender
niemals hätte übergehen können. Ein Team, das genauso wissenschaftlich war wie
das unsere (honni soit qui mal y pense!), übertrug aus Schottland, vom Ufer
des Loch Ness, einen ausführlichen Bericht über Nessy, jenes anmutige Wassergeschöpf,
das seit einem halben Jahrhundert in unserer Phantasie unter- und wieder auftaucht,
wenngleich es dies im eigentlichen See sehr viel seltener tut. So versuchte
ein als »Krypto-Zoologe« bezeichneter Gelehrter
uns davon zu überzeugen, daß die Hypothese vom Plesiosaurus auf eher schwachen
Füßen steht, daß er hingegen von der Existenz einer Gruppe riesenwüchsiger Ohrenrobben
oder Seehunde überzeugt ist, da eine einzige Nessy biologisch unmöglich sei.
Ein gewisser Tim Teasdale verwies auf seine Ballonflüge über dem See, auf den
Film, in dem sich Nessy als Star der siebten Kunst erweist, und sogar auf ein
»gelbes Unterseeboot«, allerdings wohl kaum das der Beatles, das wir in so angenehmer
Erinnerung haben (wer könnte den bezaubernden Jeremy vergessen oder den düsteren
Glove, der so große Ähnlichkeit mit einem südamerikanischen General hatte?).
Das Ergebnis solcher Gelehrsamkeit war, daß es immer mehr Beweise dafür gibt,
daß Nessy im Loch Ness lebt und daß sie außerdem eine entfernte Kusine im Champlain-See
zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten hat, ganz zu schweigen von einer
weiteren, die fröhlich im Loch Morlach herumpaddelt. Ich meinerseits steuerte
im stillen ein weiteres Glied zu dieser Kette liebenswerter Monster bei; mir
fiel ein, daß in meiner Kindheit in Argentinien viel von einem Plesiosaurus
die Rede war, der mehr als viermal den Kopf aus einem unserer Seen im Süden
gestreckt haben sollte. Während zwanzig Millionen Argentinier über das angebliche
Ungeheuer lachten (sie, die manchmal so gerne an andere Plesiosaurier auf zwei
Beinen glauben), hatte ich eine sehr anrührende Erinnerung an Dr. Onelli, der
nicht nur bis zum Tod seine Überzeugung verteidigte, sondern außerdem Direktor
des so heißgeliebten zoologischen Gartens im Parque de Palermo war. Jetzt springen
ihm die englischen und französischen Experten indirekt bei, wenn sie darauf
hinweisen, daß alle Seen, in denen die Existenz solcher Riesenviecher festgestellt
wurde, sich in Gegenden befinden, deren Durchschnittstemperatur bei zehn Grad
liegt, wie das auch bei den Seen Patagoniens der Fall ist. Dr. Onelli verfügte
nicht über Echolot, Radar und andere vergleichbare Gerätschaften, doch die Sendung
von gestern abend endete fast mit der Gewißheit, daß Nessy sehr bald identifiziert
sein wird, und mit ihr die gesamte Familie, die uns, das sei ohne beleidigende
Absicht gesagt, nun wirklich schon genug an der Nase herumgeführt hat. -
Julio Cortázar, Carol Dunlop: Die Autonauten auf der Kosmobahn. Frankfurt am
Main 2014 (BS 2481, zuerst 1983)
Nessie (2)
Onngeheuhur vann Luchnauss S Onngeheuhur vann Luchnaussen, |
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(ko2)
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