aturbeschreibung
Die Frau steckt die ganze Welt nebenläufig in einen Satz aus Beschreibung.
Reichtum ist der knallende Brocken, aus dem sie schöpft. Einer sagt, daß eine
Wolke zu ihm spricht, ein Berggipfel klingt, Wetter tobt, ausgerechnet zu ihm!
Das nenne ich Dichtung! Die Frau sagt mit einem Satz, daß in der Nacht ein Fels,
groß wie die Welt, in ihr Zimmer hereinzukommen scheine. Er kommt aber nicht
wirklich, keine Sorge. Ich könnte den Erdball zerbröseln wie eine trockene Semmel,
so wenig kann ich ihn manchmal gebrauchen, sagt die Frau. Wolken brechen zusammen
und entladen sich in schwefeligen Eruptionen. Die Natur, der man unbesehen alles
andichten darf, schwankt wie ein Kamm aus glühender Lava durch das Innen von
einem Zimmer. Sie trägt direkt in sich: die schwächlichen Äste, die dürren Zweige
von Beschreibungen und Überschreitungen. Ohne sich zu zügeln sagt einer etwas.
Er wird nicht bestraft. Der Mann ist mit seiner Frau gestraft, weil er sie nun
nicht mehr besitzt. Sie sitzet zur Rechten des Jägers. Vorgänge haben eine Mechanik.
Die Gruppe aus Frau und zwei Kindern nähert sich unschlüssig einer Bucht im
Firmament. In einem Alpenhaus gärt still und unter Dämpfen eine Sorte merkwürdiges
Viehfutter. Ohnmächtig fallen Vögel in weiterer Nähe aus dem luftigen Medium.
Legen die Krallen übereinander. Stürzen taub. Gefahr droht ihnen. Dagegen der
Mensch, er grüßt und weicht aus. Der Knall der Büchse erscheint so lang wie
der Hauch eines Satzes. Aus dem erschöpften Kessel der Vergleiche wird etwas
in einen Teller gehoben. Dieser Abfallkübel (Sprache) versagt niemals, und zwar
wegen Humors. Die Erde versagt nie wegen Humus, aber wie lange noch? Alles darf
so bleiben wie schon einmal etwas genauso gewesen ist. Schlagartig überkommt
den bereits durch Beschreibungen völlig zerkochten Gegenstand ein Staunen: der
Stauraum der Natur! - Elfriede Jelinek, Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr. Reinbek
bei Hamburg 1993
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