Natur, großzügige   "Ich will dir, Juliette," fuhr der Pontifex fort, „durch einige Beispiele beweisen, daß der Mensch zu allen Zeiten an der Zerstörung Genuß fand und die Natur sie ihm immer gestattete.

Wenn in Capo-di-Monte eine Frau mit zwei Kindern zugleich niederkommt, tötet der Gatte sofort eines davon.

Man weiß, wie die Araber und die Chinesen mit ihren Kindern umgehen, kaum daß sie die Hälfte aufziehen, den Rest und hauptsächlich die Mädchen, töten, verbrennen oder ertränken sie. Auch auf Formosa geschehen diese Greuel.

Die Mexikaner zogen niemals in den Krieg, ohne vorher Kinder zu opfern.

Den Japanerinnen ist es erlaubt, so oft sie wollen zu abortieren, niemand kümmert sich um die Frucht, die sie nicht austragen wollen.*

Der König von Kalkutta besitzt einen Stuhl, unter dem er ein großes Feuer anzünden kann. An gewissen Festtagen wird an diesen Stuhl ein Kind angebunden, bis es von den Flammen verzehrt ist.

Der Mord war in Rom niemals mit der Todesstrafe belegt.

In Mindanao wird dieses Verbrechen belohnt.   Derjenige, der es begeht, wird in die Reihe der Tapfersten erhoben und hat das Recht, einen roten Turban zu tragen.

Bei den Karaguos muß man sieben Menschen getötet haben, um den roten Turban zu erhalten.

An den Ufern des Orinocco bringen die Mütter ihre Töchter am Tage der Geburt um.

In Madagaskar werden alle am Dienstag, Donnerstag und Freitag geborenen Kinder von ihren Eltern den wilden Tieren zum Fraß überlassen.

Aus einigen Kapiteln des Pentateuch ersieht man, daß die Väter das Recht über Leben und Tod ihrer Kinder besaßen. Zar Peter erließ an seine Völker eine öffentliche Erklärung, deren Inhalt jedem Vater die Erlaubnis gab, über seine Kinder zu verfügen und er selbst hat Beispiele für dieses Recht geliefert.

Die Ägypter opferten jedes Jahr dem Nil ein junges Mädchen. Als die Humanität in ihre Herzen einzog und sie mit diesem Brauch brechen wollten, hörten die fruchtbaren Überschwemmungen des Flusses auf und im Lande herrschte Hungersnot.

Rom herrschte über den Weltball so lange, als es grausame Schaustellungen besaß. Es verfiel in Sklaverei, als die Stupidität der christlichen Religion dem römischen Volke einredete, daß es ein größeres Verbrechen sei Menschen zu töten als Tiere.

Fast alle Wilden Amerikas töten die alten Leute wenn sie krank sind. Sie tun es aus Barmherzigkeit und der Vater verflucht seinen Sohn, wenn er ihn nicht tötet. Es gibt im Stillen Ozean eine Insel wo man die Frauen tötet, sobald sie nicht mehr fruchtbar sind; man behandelt sie als Dinge, die der Welt nichts mehr nützen können.

In keinem Serail Asiens ist es verboten, die Frauen zu töten. Derjenige, der sie umgebracht hat, ist sie dann los und kann sich neue kaufen.

Auf der Insel Borneo herrscht der Glaube, daß alle jene Menschen, die ein Mann getötet hat, ihm in der anderen Welt als Sklaven dienen.

Wenn die Tartaren einen Fremden sehen, der Geist und Schönheit besitzt, so töten sie ihn, um sich seiner Eigenschaften zu bemächtigen.

In Kakana gibt es Mörder, die man im Bedarfsfalle mietet.

Auch in Italien findet man derartige Mörder, und in einem klugen Staate sollten sie öffentlich geduldet werden, denn warum sollte es nur Recht des Staates sein, über das Leben zu verfügen?

Wenn die Karthager den Feind vor ihren Toren sahen, opferten sie zweihundert Kinder aus dem edelsten Geschlechte, den Müttern gab man eine Buße und tötete die Kinder vor ihren Augen.

Ein König im Norden, dessen Name mir entfallen ist, opferte neun seiner Kinder in der alleinigen Absicht, sein eigenes Leben dadurch zu verlängern; derartige Vorurteile werden verzeihlich, wenn sie die Ursache von Vergnügungen werden.

Shuni-Chi, der Vater einer der letzten Kaiser Chinas, ließ auf dem Grabe seiner Geliebten dreißig Männer erdolchen, um ihre Manen zu versöhnen.

Cook entdeckte auf seinen letzten Reisen in Otahiti Menschenopfer, die seine Vorgänger auf dieser Insel noch nicht bemerkt hatten.

Herodes, König der Juden, ließ auf seinem Todenbett den ganzen Adel Judäas im Hippodrom Jerichos versammeln und befahl seiner Schwester, alle Anwesenden nach seinem Tod umzubringen, damit die Trauer allgemein sei und die Juden unwillkürlich auch um seine Leiche Tränen vergössen.

Mahomet II. hieb mit eigener Hand den Kopf seiner Geliebten Trena entzwei, um seinen Soldaten zu zeigen, daß die Liebe nicht fähig sei sein Herz zu verweichlichen.

Abdalkar, Heerführer des Königs von Wisapur, besaß einen Harem von siebzehnhundert Frauen; als er in den Krieg ziehen mußte, befürchtete er, seine Geliebten könnten ihm untreu werden, und ließ sie alle am Tage vor seiner Abreise erdrosseln.

Die Vorschriften des Marius und Sulla sind Musterwerke der Grausamkeit.

Nero ließ zehn- oder zwölftausend Menschen im Zirkus hinschlachten, weil man sich über einen seiner Wagenlenker lustig gemacht hatte.

Die vierundzwanzigtausend Römer, die Mithridates erdrosseln ließ; die Sicilianische Vesper; die Sankt Bartholomäusnacht, sowie die achtzehntausend Frauen, die vom Herzog Alba enthauptet wurden, um in den Niederlanden eine Religion einzuführen, die kein Blut fließen sehen will, sind Beispiele von Mordtaten, die beweisen, daß ein Menschenleben nichts zählt.

Der strenge und von den Christen so geliebte Kaiser Konstantin, brachte seinen Schwager, seinen Neffen, seine Frau und seinen Sohn um.

Sogar das Kind bietet uns ein Beispiel dieser Grausamkeit, das uns beweist, daß sie natürlich ist. Wir sehen es mit Behagen einen Vogel erwürgen und sich an den Zuckungen des armen Tieres ergötzen.

Auf Seeland ißt man seine Feinde auf; anderswo wirft man sie den Hunden vor.

Die Heruler und die Germanen opferten alle ihre Gefangenen, und nur die Skythen begnügten sich damit, den zehnten Teil zu schlachten. Aber auch in Frankreich wurden sie anläßlich der Schlacht von Azincourt von Eduard hingeopfert.

Als Tschingis-Khan China eroberte, ließ er zwei Millionen Kinder töten.

Auf Malabar gibt es eine Kaste, die von jedermann getötet werden kann. Wenn man seine Waffe versuchen will, zielt man auf den erstbesten, der einem begegnet.

In Rußland, in Dänemark und in Polen dürfen die Adeligen einen Leibeigenen töten, wenn sie einen Taler auf den Leichnam legen.

Wer könnte die Manen von Indianern zählen, die die Spanier bei ihrer Eroberung der neuen Welt schlachteten. Allein an Lastträgern -starben während eines einzigen Jahres zweihundert-tausend Menschen.

Octavius ließ in Perugia dreihundert Leute umbringen, nur um den Jahrestag von Cäsars Tod zu feiern.

Phalaris ließ seine Opfer in einen eisernen Stier einsperren, der so gebaut war, daß die Schreie daraus tausendmal vervielfältigt wiedertönten. Welch eine ausgesuchte Grausamkeit!

Die Franken besaßen das Recht über Leben und Tod der Frauen und machten häufig davon Gebrauch.

Der Mord ist mit einem Wort eine Leidenschaft, wie es das Trinken, das Spielen oder die Liebe ist, sobald man sich einmal an ihn gewöhnt hat, kann man ihn nicht mehr missen, und damit nicht genug, begnügt man sich nicht nur zu töten, sondern wünscht auf grausame Art zu töten, und fast immer spielt die Wollust dabei eine Rolle.

Werfen wir jetzt einen Blick auf diese gleichzeitig wollüstigen und grausamen Taten. Ich weiß, daß Ihnen diese Übersicht nicht mißfallen wird, denn alles, was in der Natur gewalttätig ist, ist interessant und erhaben.

Die Irländer erdrückten ihre Opfer.

Die Gallier brachen ihnen die Knochen.

Die Kelten steckten ihnen einen Säbel in den Darm, und die Kymbrer schnitten ihnen den Bauch auf oder warfen sie in glühende Ofen.

Die römischen Kaiser ließen junge christliche Jungfrauen auspeitschen und dann ihre Brüste und Arschbacken mit glühenden Eisen zeichnen. Sie selbst übernahmen oft die Rolle des Henkers, und Nero trat selten an jemand anderen das Vergnügen ab, diese Unglücklichen zu töten.

Die Syrer stürzten ihre Opfer von der Höhe eines Berges herab. Die Neger von der Küste Kalabar geben ihre Kinder lebend den Raubvögeln hin. Dieses Schauspiel ergötzt sie ungemein.

Unter den vielen Völkern der Erde findet man kaum eines, das dem Leben eines Menschen auch nur die geringste Bedeutung beimißt.

Die Huronen hängen über ihr Opfer einen Leichnam derart auf, daß über sein Gesicht alle Verwesungsteile, die aus dem toten Körper herabfließen, tropfen, und so quält man den Unglücklichen, bis er stirbt.

Der Reisende Gmelin sah in Sibirien eine Frau, die bis zum Hals eingegraben war und der man dreizehn Tage zum essen brachte, bis sie schließlich starb.

Die Vestalinnen wurden in kleine schmale Nischen eingemauert, und auf einen Tisch stellte man ihnen eine Lampe, ein Brot und eine Kanne Öl. Neuerdings hat man in Rom einen unterirdischen Gang gefunden, der den Palast der Kaiser mit den Kerkern der Vestalinnen verband.**

Dies beweist, daß sich die römischen Kaiser an den Folterqualen der Vestalinnen ergötzten.

In Marokko und in der Schweiz zersägt man den Verbrecher zwischen zwei Brettern.

Hippomenes, König von Afrika, ließ seine Tochter und seinen Sohn von ausgehungerten Pferden auffressen.

Die Gallier sperrten ihre Opfer fünf Jahre lang ein, bevor sie sie ertränkten.

Die Perser, die das erfinderischste Volk in Bezug auf Folterqualen sind, sperrten ihr Opfer zwischen zwei Holzstäbe ein und in dieser Stellung stach man ihm die Augen aus. Manchmal auch rieb man ihm das Gesicht mit Honig ein, damit es von den Wespen gestochen werde.

Unglaublich ist es, daß diese Leute oft achtzehn Tage lang dabei fortlebten.

Die Mazedonier kreuzigten den Schuldigen mit dem Kopf nach unten.

Die Athener ließen ihn Gift trinken oder ertränkten ihn im Bad, nachdem sie ihm die Ader geöffnet hatten.

Die Römer hingen ihn manchmal an einem Baum an den Geschlechtsteilen auf.

Auch haben wir das Rad als Folterwerkzeug von ihnen übernommen.

Unter den Kaisem peitschte man auch zu Tode. Manchmal auch nähte man das Opfer mit Schlangen zusammen in einen Sack und warf es in die Tiber.

Der Großinquisitor Torquemada ließ die Opfer vor sieh an den fleischigsten Stellen des Körpers auf Stacheln legen, aus dieser furchtbaren Stellung entsprangen die entsetzlichsten Schmerzen und oft starben sie mit einem seltsamen Lachen.

Apulejus erzählt von der Qual einer Frau, deren Einzelheiten sehr nett sind. Man band sie in den Bauch eines Esels ein, dem man die Eingeweide herausgenommen hatte, und ließ bloß ihren Kopf herausstecken. So übergab man sie den wilden Tieren.

Es gibt Länder, in denen man das Opfer in der Nähe eines großen Feuers anbindet. Man öffnet ihnen dann den Bauch und läßt ihn langsam von den Flammen verzehren. In früheren Zeiten gab man den Mädchen, die sich nicht bekehren lassen wollten^ Pulver zu schlucken und steckte ihnen eine Zündschnur durch das Arschloch. Auf diese Weise brachte man ihnen die Liebe zur Messe bei. Sie platzten dann gewöhnlich wie eine Bombe auseinander.

Wenn wir auf die alten Folterungen zurückkommen, müssen wir die der heiligen Katharina erwähnen, die an eine mit Spitzen versehene Walze gebunden und von einem Berg herabgerollt wurde. Sie müssen gestehen, Juliette, daß dies eine sehr süße Art ist, in den Himmel zu gelangen. Richten wir aber unser Auge auf ausländische Gebräuche, so sehen wir, daß in China der Henker mit seinem eigenen Leben dafür haftet, daß der Hinzurichtende nicht vor der festgesetzten Zeit stirbt, die gewöhnlich sehr lange ist, oftmals sogar neun Tage dauert.

In Ceylon wird der Schuldige verdammt, sein eigenes Fleisch oder das seiner Kinder zu verzehren.

Die Bewohner von Malabar hacken das Opfer mit einem Säbel entzwei und geben es den Tieren zu fressen.

In Siam wird es von Stieren zertreten. Der König dieses Landes tötete einen Rebellen, indem er ihm von Zeit zu Zeit ein Stück seines eigenen Fleisches abschnitt und es ihm zu essen gab.

In Cochinchina bindet man das Opfer an einen Pfahl und reißt ihm jeden Tag ein Stück Fleisch aus.

Die Koreaner füllen seinen Körper mit Essig an und töten es dann durch Stockschläge. Der König dieses Landes ließ seine Schwester in einen kupfernen Käfig einsperren, unter dem ein ständiges Feuer brannte und er ergötzte sich daran, sie umherspringen zu sehen.

Was man Paoulo in China nennt, ist eine Kupfersäule, die im Innern hohl ist. Man zündet darin ein Feuer an und bindet den Verbrecher derart daran fest, daß er langsam röstet. Man sagt» daß es die Frau eines Kaisers war, die diese Folter erfand, und daß sie niemals einen Unglücklichen sehen konnte, ohne dabei zu entladen.

Die Japaner schneiden den Bauch auf. Vier Männer halten den Armen fest und ein fünfter läuft mit einer Eisenkeule auf ihn zu und zerschmettert ihm den Schädel.

Die Brüder Moraves töteten einmal jemanden, indem sie ihn kitzelten. Eine ähnliche Folter hat man bei den Frauen angewendet. Man kitzelte sie zu Tode.

Was Sie aber sehr in Erstaunen setzen wird, ist, daß das Geschäft eines Henkers häufig von hochgestellten Personen ausgeübt wurde. Wie soll man sich das anders erklären, als daß sie von grausamer Geilheit geleitet wurden.

Mulay Ismael war selbst der Scharfrichter der Verbrecher seines Reiches. Jeder Verbrecher in Marokko wurde durch seine Hand hingerichtet. Und keiner beraubte jemand seines Kopfes so geschickt wie er. Er fand daran unsagbare Wonne. Zehntausend Unglückliche fühlten die Kraft seines Annes. Und in diesem Staat herrschte der Glaube, daß derjenige, der den Tod aus der Hand des Monarchen empfangen, Anrecht auf ewiges Leben habe.

Bonner, Bischof von London, peitschte diejenige selbst aus, die sich nicht bekehren wollten.

Uriothesli, Kanzler Englands, ließ vor seinen Augen ein sehr hübsches Weib foltern, die nicht an die Gottheit Jesu Christi glaubte, und er zerriß sie mit eigener Hand und warf sie in die Flammen.

In mehreren Ländern ist es Gebrauch, wenn man zwei Verbrecher gleichzeitig hinrichtet, daß der Henker das Gesicht des zweiten Opfers mit dem Blut des ersten beschmiert.

Schließlich war der Mord auf der ganzen Erde verehrt und gebräuchlich. Ägypter, Araber, Kreter, Cyprer, Foker, Griechen, Pelasger, Skythen, Römer, Phönizier, Perser, Indier, Chinesen, Masageten, Sarmaten, Irländer, Norweger, Schweden, Skandinavier, Gallier, Kelten, Cymbrer, Germanen, Bretonen, Spanier und Neger, alle haben sie Menschen auf den Altären ihrer Götter geopfert. Zu allen Zeiten hat der Mensch Vergnügen daran gefunden, das Blut seines Nächsten zu vergießen. Nur hat er diese Leidenschaft bald durch das Gesetz und bald durch die Religion verschleiert. Aber der Grund war immer das ungeheuere Vergnügen, das für ihn dabei entsproß.

Nach solchen Beispielen, Juliette, werden Sie wohl überzeugt   sein,  daß es keine selbstverständlichere Handlung gibt wie den  Mord, und daß es von Ihnen unsinnig wäre, die leiseste Reue zu empfinden."

* Auf den Kindesmord Strafe zu setzen ist eine beispiellose Grausamkeit. Wer anders ist denn der rechtmäßige Eigentümer dieser Frucht wie die, die sie unter ihrem Herzen getragen hat. Die Frau in ihren Rechten beeinträchtigen zu wollen, ist der Gipfel der Niederträchtigkeit.
** Ich bezeuge, daß ich dies selbst gesehen habe. 

 - (just)

Natur Großzügigkeit

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