Nasenwette    Mr. Woolys Grimm war so schnell verraucht, wie er aufgeflammt war. »Wir sind Freunde!« Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Die besten Freunde. War ja nich so gemeint. Nurn kleines Spiel. Alles schön nachn Regeln. Wollnses sehn? Sehn se jetzt- er faßt mich anner Nase. Los, Jim, pack se orntlich fest.« »Hab keine Lust«, protestierte Jim. Ihm schwante Übles. Polizeichef Williams, über seinen Scotch mit Soda gebeugt, sagte: »Machen Sie schon, Jim«, was einem Befehl sehr nahekam. Jim ergriff Mr. Woolys Nase.

»Bim«, erklärte Mr. Wooly, »behm ich die olle Base vom ollen Bim - bo. Un ich quetsch un Bim quetscht auch. Ber als erster bachbibt, bat den schbarzen Beter. Bös!« rief er, womit er meinte »Los!«. Alle Leute im Marlborough waren mit Interesse bei der Sache. (Betty, die Mr. Wooly wiederholt Zeichen gegeben hatte, ohne irgendeine Reaktion zu erhalten - und zwar einfach deshalb, weil er nicht bis zum Lnde der Theke sehen konnte -, war mit ihrer Freundin gegangen.)

»Was ist denn los?« fragte Richter Gilead und strich sich den Gabelbart.

»Neues Spiel«, erläuterte Reilly. »Ausdauertest«, führte Sanford Digges aus. »Ein uraltes Spiel«, schaltete sich der gelehrte PoHzeichef unaufgefordert ein. »Aus Ägypten eingeführt.«

»Oh«, sagten die Umstehenden zutiefst beeindruckt. Ein Mann schaute Jim, dem Barmann, in die hervorquellenden, tränennassen Augen, sah dann in die Augen Mr. Woolys und fragte: »Wie war's mit'ner Wette?«

»Na, und ob«, entgegnete Reilly, der nie eine Wette ablehnte. "Einen Dollar auf Jim«, sagte der Fremde. »Gemacht«, bestätigte Reilly, der von dem auf dem Nasenflügel des armen Jims keimenden Furunkel wußte. »Ich würde meinen alten Freund Jim mit keinem Wort kritisieren, aber ich glaube, daß Wooly vielleicht mehr Herz für diese Sachen hat.« Weitere Wetten wurden abgeschlossen. Stille senkte sich über das Marlborough, nur unterbrochen vom entschlossenen, verbissenen Atemgeräusch der Wettkämpfer und dem Knirschen ihrer Zähne, während sie aus Leibeskräften quetschten. Das Publikum spürte, daß sich hier zwei Männer von Charakter gegenüberstanden, unter denen kein Drückeberger war. Die aufmerksamen Gesichter der Zuschauer waren ernst, ihr Interesse objektiv und höflich; keiner schien versucht, sich in etwas einzumischen, das zwar recht ungewöhnlich, jedoch nicht anderer Leute Bier war. Nur Fledermausohr schien gewisse Schwierigkeiten mit seinem Gesicht. zu haben. Es schwoll an und verfärbte sich purpurn. Schließlich bettete er es auf die Theke. Seltsame Laute entrangen sich der Fülle seines Leibes. Reilly, im Grunde ein ordinärer Mensch, lachte. Er amüsierte sich, wie er sich nicht mehr amüsiert hatte, seit der Schwester seiner Frau ihre schwarzwollenen Schlüpfer auf die Füße gefallen waren, als sie gerade im Gemeindezentrum vor Publikum das Lied »Ich wollt, ich wär ein zartes Apfelblütelein« vortrug.

Jim lief der Schweiß in Strömen herunter. Er hatte sein Bestes gegeben, mehr konnte er nicht tun. Tatsächlich fürchtete er, der schraubstockartige, langsame Drehgriff des kleinen Mr. Wooly würde ihm die entzündete Nase gänzlich abreißen. Er wußte, daß seine Nase nicht hübsch war, aber er wollte sie behalten. Vor die Wahl zwischen Ehre und Nase gestellt, entschied er sich für die letztere. Er schnappte nach Luft; zugleich mit einer allgemeinen körperlichen Erschlaffung schien auch sein moralischer Zusammenbruch einzutreten; er wankte; er keuchte: »Aufhören, lieber Gott, aufhören!«    - Thorne Smith (mit Norman Matson), Meine Frau, die Hexe. Frankfurt am Main 1989 (zuerst 1941)

Nase Wette

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