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verfaulte Während ich geschlafen hatte, mußte es geregnet haben,
denn die Junin Straße glänzte. Alte Häuser säumten die Straße; die Geschäfte
waren mit Eisenstangen verbarrikadiert. Ich konnte die Dächer und Teile der
Ziegelmauern von Häusern in benachbarten Straßen sehen. Hier und da flackerte ein rötliches Licht in
einem Fenster. War jemand krank? War jemand gestorben? In Warschau, als Kind,
hatte ich oft schaurige Geschichten über Buenos Aires gehört: Ein Zuhälter
hatte ein armes Mädchen, eine Waise, in diese böse Stadt verschleppt und versucht,
sie mit allerlei Tand und Versprechungen zu verführen; als das nicht verfing,
hatte er sie mißhandelt, an den Haaren gezogen und sie mit Nadeln in die Finger
gestochen. Unsere Nachbarin Basia sprach oft darüber mit meiner Schwester Hinda.
Basia sagte dann: »Was konnte das Mädchen tun? Sie schleppten sie auf ein Schiff
und hielten sie in Ketten. Ihre Unschuld hatte sie schon verloren. Man verkaufte
sie an ein Bordell, und sie hatte zu tun, was man ihr sagte. Früher oder später
entwickelte sich ein kleiner Wurm in ihrem Blut, und
damit konnte man nicht lange leben. Nach sieben Jahren Schande fielen ihr Haare
und Zähne aus, ihre Nase verfaulte, und das Spiel war
aus. Da sie entehrt war, begrub man sie außerhalb der Friedhofsmauern. Ich erinnere
mich, daß meine Schwester fragte: »Lebendig?« -
Isaac Bashevis Singer, Hanka. In: I.B.S., Leidenschaften.
Geschichten aus der neuen und der alten Welt. München 1993 (zuerst 1975)
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