Nase,
eiserne (2) Man hat uns von den Tahuglanken berichtet,
die in der Gegend des 141. Längengrades im Norden Neu-Mexikos leben. Man erzählt
von ihnen, sie seien ein zivilisiertes Volk, den schönen Künsten zugetan, wenn
auch in ihren Sitten und Gebräuchen ziemlich eigen. So pflegt ein Tahuglanken-Prinz
von Geblüt den Nachtstuhl mitten in seinem Audienzzimmer und umringt von seinem
sämtlichen Gefolge zu besteigen. Das ist ein Vorrecht, über das er eifersüchtig
wacht. Da thront er nun auf dem mobilen Sitz und schneidet, da er verstopft
ist oder auch nicht, vor aller Augen, unverschleiert und auch von keiner spanischen
Wand geschützt, sämtliche Grimassen, die der Situation gemäß sind. Von Zeit
zu Zeit reicht ihm ein kerzengrader, höchst beflissener Kammerdiener Wattebäusche,
mit denen er sich abwischt, damit sie der Lakai, dem alle zusehn, wie Butterbrote
aufeinander schichte, auf daß der ganze Hof der Exkremente seines hohen Herrn
ansichtig werde. Die Granden wappnen dabei ihre Nasen mit Geduld, denn sich
gewisser stickiger Dünste Wirbel zu entziehen ist ihnen nicht gegeben. Mit der
Absicht, ihrem Prinzen aufzuwarten oder ihn um eine Gunst zu bitten, platzen
oftmals schöne Damen in das feierliche Zeremoniell. Versagt ist ihnen, sich
zurückzuziehen; das verstieße gegen jede Etikette. Also bleiben sie, und machen
mit Gesichtern, als wäre überhaupt nichts, Konversation. Mag der Tahuglanken-Adel
vor der Nase jener kacken, die ihn am Vormittag besuchen kommen - es wird ihm
heimgezahlt, sobald er sich bei seinem Landesfürsten zeigt. Denn jener thront
auf dem gelochten Stuhl noch stolzer und gibt dabei nicht mindere Wohlgerüche
von sich. Seine Vasallen werden sie mit derselben Standhaftigkeit ertragen müssen,
die sie eben noch den eigenen Leuten abverlangten; auch sie werden es nicht
wagen, den Kopf abzuwenden, die Unterhaltung wird ihren Gang nehmen, als erfüllten
zarte Düfte das Gemach. Und mit eiserner Nase werden die Höflinge Tröstung im
Gedanken suchen, daß sie spätestens in drei Tagen wieder an der Reihe sein werden,
sich, unterstützt von einem tüchtigen Abführmittel, in aller Ruhe und nach Herzenslust
vor der mit gelassenen, heiteren Mienen dastehenden Gefolgschaft ihres Hauses
zu produzieren. - Louis Sébastien Mercier, Mein Bild von Paris.
Frankfurt am Main 1979 (zuerst ca. 1780)
|
||
|
||