Narren, indianische   Die Zuschauer aus dem Dorf verharrten in andächtigem Schweigen, sogar die Kinder gaben keinen Mucks von sich.

Und plötzlich erhob sich rund um die Plaza lautes Gelächter.

»Jetzt kommen die Kosharen«, sagte Cowboy.

Jenseits der Plaza waren auf einem Hausdach vier Gestalten aufgetaucht. Sie hatten sich Lendenschurze umgebunden, ihre Körper waren mit schwarzen und weißen Streifen bemalt und die Gesichter weiß getüncht, mit einem riesigen schwarzen Lachmund um die Lippen, das Haar war zu zwei konischen Hörnern nach oben gedreht. .. und was da an den Hörnern baumelte, mußten wohl Maiskolben sein.

Kosharen - die heiligen Narren der Pueblo-Indianer. Ähnliche Clownsnummern hatte Chee als Kind bei einer Hopi-Zeremonie in Moenkopi gesehen, und später auch bei anderen Hopi-Tänzen. Was sich da drüben auf dem Dach abspielte, schien im Grunde nicht viel anders zu sein.

Zwei von ihnen standen jetzt auf dem Hausgesims und deuteten wild gestikulierend nach unten, auf den Kreis der Kachina-Tänzer. Zwei andere, ein Fettwanst und ein schmächtiger Junge, schleppten eine Leiter heran, drehten die Leiter mit Schwung hin und her, ohne sich viel darum zu scheren, daß sie das Ding ihren Partnern ein paarmal kräftig um die Ohren schlugen, und das Publikum unten auf der Plaza amüsierte sich kösdich. Endlich hatten sie's dann geschafft, die Leiter über die Dachkante nach unten rutschen zu lassen - allerdings verkehrt herum, mit dem schmalen Ende zuerst. Dann begann ein plumpes Gerangel, bei dem mal der eine, mal der andere auf die Nase fiel. Offensichtlich ging es darum, wer zuerst hinunterklettern durfte, und schließlich hatte der Fettwanst sich durchgesetzt. Kopfüber rutschte er die Leiter hinunter, vier, fünf Sprossen weit. Ein anderer, ein richtiges Klappergestell, das nur aus Haut und Knochen zu bestehen schien, kletterte - ebenfalls mit dem Kopf nach unten - über ihn hinweg. Die beiden verhedderten sich mit den Beinen, es sah aus, als müßten sie jeden Augenblick abstürzen. Aber zum Glück waren da noch die beiden auf dem Dach, und einer von ihnen packte gerade noch rechtzeitig zu. Während die Rettungsaktion noch in vollem Gange war, hangelte sich der andere, der Schmächtige, am Dachgesims zur Leiter und fing an, nach unten zu klettern: auf der Innenseite der Leiter, und wieder mit dem Kopf voran. Die Leute auf der Plaza hielten sich die Bäuche vor Lachen und feuerten den Schmächtigen lauthals an.

Unten dröhnten die Trommeln ihren dumpfen Rhythmus, und die Kachinas tanzten unbeirrt weiter - entrückte Geister, die sich vom närrischen Treiben der Irdischen nicht irritieren ließen.

»Irgendwann wird sich einer von denen den Hals brechen«, stöhnte Janet Pete.

Und Chee dachte: Ja, bei einem Sturz aus dieser Höhe bleibt sicher keiner ungeschoren. Die Kletterer turnten etwa zwei Stockwerke hoch, und der festgestampfte Lehm auf der Plaza war hart wie Beton.

Cowboy sagte: »Die machen das schon seit tausend Jahren so. Da hat sich noch nie einer verletzt.« Und stirnrunzelnd meinte er: »Ist ja alles ganz schön, was die Jungs da oben machen, aber ihr solltet erst mal die in Shongopovi oder in Hotevilla oder in Walpi sehen, oder die in...«

»Ja, ja«, sagte Chee, »oder die in irgendeinem x-beliebigen Hopi-Dorf. Ich kenn doch Cowboys Sprüche. Hopis können alles besser.«

Cowboy schüttelte den Kopf. »Chee kapiert nie richtig, was ich meine. Hopis können alles am besten.«

»Machen die das immer so?« Janet hörte sich an, als gefiele ihr die Einlage mit der Leiter nicht so recht. »Das stört doch die ganze Feierlichkeit.«

»Überhaupt nicht, das gehört zum Ritual. Das Ganze ist symbolisch gemeint. Die Narren repräsentieren uns Menschen. Darum machen sie alles falsch, während die Geister eben alles richtig machen.«   - Tony Hillerman, Geistertänzer. München 1995

Narren Indianer

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