äherkommen An
der rumänischen Schwarzmeerküste sind der Schwarzen Witwe ähnliche Giftspinnen
aufgetaucht. Ein Mann starb nach einem Biss.
Elf Leute wurden krank. Von Rumänien aus haben die in den Tropen beheimateten
Tiere nur noch einen vergleichsweise kurzen Fußweg nach Deutschland. Durch
die Luft kam in diesem heißen Sommer die Malaria
nach Deutschland zurück und verbreitete sich mit Hilfe der einheimischen
Moskito-Art Anopheles plumbeus. Ein Exemplar stach ein aus Angola
stammendes Mädchen, das Malaria-Erreger im Blut
hatte. Das Mädchen lag wegen einer Kieferoperation in einer Duisburger
Klinik, die Mücke, übertrug den Erreger auf mindestens zwei weitere Patienten.
Wissenschaftler fanden dann in nahen Buchen ein Nest mit Anopheles-Larven,
eine infektionsfähige neue Generation. Und in Bayern und Baden-Württemberg
springen neuerdings immer mehr Sandflöhe umher, die die in Afrika als Leishmaniose
bekannten fürchterlichen Geschwüre verursachen.
- Maritta Tkalec,
Berliner Zeitung v. 20.08.03
Näherkommen (2) Erste Zeitungsnachricht. März 1815. Der Unhold ist aus seiner Verbannung entronnen; er ist aus Elba entwischt.
Zweite Nachricht. Der korsische Wehrwolf (l'ogre) ist bei'm Kap Juan an's Land gekommen.
Dritte Nachricht. Der Tiger hat sich zu Gap gezeigt. Truppen sind auf allen Seiten gegen ihn in Bewegung. Er endet damit, als elender Abenteurer in den Gebirgen umherzuirren. Entrinnen kann er nicht.
Vierte Nachricht. Das Ungeheuer ist wirklich, man weiß nicht durch welche Verräterei, nach Grenoble entkommen.
Fünfte Nachricht. Der Tyrann hat in Lyon verweilt. Entsetzen lähmte alles bei seinem Anblick.
Sechste Nachricht. Der Usurpator hat es gewagt, sich der Hauptstadt bis auf sechzig Stunden zu nahen.
Siebente Nachricht. Bonaparte nähert sich mit starken Schritten. Aber niemals wird er bis Paris gelangen.
Achte Nachricht. Napoleon wird bis morgen unter den Mauern von Paris sein.
Neunte Nachricht. Der Kaiser Napoleon ist in Fontainebleau.
Zehnte Nachricht. Gestern abend hielten Se. Majestät der Kaiser
und König ihren Einzug in den Palast der Tuilerien.
Alles ist in unaussprechlichem Jubel. - Nach: Heinrich Zschokke,
Hans Dampf in allen Gassen. Humoristische Erzählungen, Novellen und Fabeln.
Frankfurt am Main 1980 (it 443, zuerst ca. 1830)
Näherkommen (3) ›Was ist es? Was zum Satan ist es denn?‹ fragte ich.
›Dies verfluchte Ding‹, sagte er, ohne den Kopf zu wenden. Seine Stimme klang heiser und unnatürlich. Ich sah, daß er zitterte.
Ich war im Begriff, wieder etwas zu sagen, als ich sah, wie der Wildhafer
sich nahe bei dem Fleck von vorhin in ganz unerklärlicher Art bewegte.
Ich kann das schwer beschreiben, es sah aus, als ob der Hafer von einem
Wind gestreift würde, der ihn nicht bloß beugte, sondern ihn niederpreßte,
ihn so zu Boden drückte, daß er nicht wieder aufstand. Und diese Bewegung
lief langsam weiter und direkt auf uns zu. - Ambrose Bierce, Das
verfluchte Ding. In: A.B., Mein Lieblingsmord. Frankfurt am Main 1974 (it
39)
Näherkommen (4) Später der Weg vom Institut zum Park Circus Market zu Fuß: Elend, Krüppel, die sich auf Stümpfen in Lederkappen übers geborstene Pflaster schleppen. Räudige Hunde. Der querliegende Schläfer. Steig drüber weg!
Zurück in Baruipur: ein Wurm auf der Tischplatte,
der sich Saugkopf vor Saugfuß voranbewegt. Sich tausend Würmer vorstellen,
die so, Kopf vor Fuß, auf mich zukämen... - Günter Grass,
Zunge
zeigen. Darmstadt 1988
Näherkommen (5) In den USA dringen
Schwarzbären bereits bis in die Vororte von New York vor. Allein im vergangenen
Monat wurden drei von ihnen zur Strecke gebracht. Damit nicht genug: In jüngster
Zeit sind so viele Wildtiere im Großraum New York aufgetaucht, daß Experten
nun Verhaltensratschläge geben: Keine Essensreste auf den Komposthaufen werfen,
in bewaldeten Gebieten immer laut singen und niemals Seehunde mit Bananen füttern,
wie das einige New Yorker getan hatten. Die "Saison der Merkwürdigkeiten"
(New York Times) begann am ersten Frühlingstag, als im Central Park
ein Koyote gesichtet wurde. Wenig später zählten Biologen 20 Robben vor der
Küste von Staten Island. In der Bronx verendete ein in Panik geratenes Reh.
Im selben Stadtteil wurde ein toter Delfin angeschwemmt.
Die New Yorker erschreckt so etwas furchtbar. Die meisten von ihnen haben noch
nicht einmal eine Kuh in ihrem Leben gesehen. - AP/dpa, nach Tagesspiegel
vom 12. Juni 2006
Näherkommen (6) Ein fremdartiges Gefühl
begann sich langsam in seinem Körper und seinem Geist auszubreiten. Er konnte
nicht sagen, ob irgendeiner seiner Sinne - wenn überhaupt einer - davon betroffen
war; er empfand es mehr als eine besondere Art Bewußtseinszustand - eine geheimnisvolle
geistige Gewißheit von der Anwesenheit einer unwiderstehlichen Macht - einer
übernatürlichen, böswilligen Wesenheit, die sich von den sie umschwärmenden,
unsichtbaren Wesen unterschied und ihnen an Macht überlegen war. Er wußte, daß
sie es war, die so gräßlich gelacht hatte. Und jetzt schien sie sich ihm sogar
zu nähern; er wußte nicht, aus welcher Richtung sie
kam, und wagte auch nicht, Vermutungen darüber anzustellen. - Ambrose
Bierce, Der Tod des Halpin Frayser, in: A.B., Die Spottdrossel. Zürich 1978
(detebe 106)
Näherkommen (7) Wie ich eines Tages die Straße entlangging, sah ich diesen Kerl mir entgegenkommen, und weißte, ich hätte schwören können, er war's und, weißte, er hätte schwören können, ich war's.
Wir kamen einander näher, und ich war ganz sicher, er war's, und er war ganz sicher, ich war's.
Wir kamen noch näher, und ich war verdammt sicher, er war's, und er war verdammt sicher, ich war's.
Wie wir nur ein paar Meter voneinander waren, war ich vollkommen überzeugt,
er war's, und er war vollkommen überzeugt, ich war's. Und weißte was, wie wir
nebeneinander sind, da war's keiner von uns! - (
engl
)
Näherkommen (8) Die alte Martha war nicht an der Arbeit. Ein Korb mit Futtergetreide stand neben ihr auf dem Boden, und draußen, auf dem Hof, begann das Federvieh laut zu protestieren, weil die Zeit des Futterstreuens schon lange überschritten war. Martha hatte sich jedoch ganz eng in eine Ecke des Fensterplatzes gedrückt und schaute mit ihren trüben alten Augen hinaus, als hätte sie etwas Fremdartigeres als die Herbstlandschaft erblickt.
»Was ist denn los, Martha?« fragte die junge Frau.
»Der Tod kommt, immer näher kommt er«, erwiderte die
zitterige Stimme. »Ich wußte, daß er kommt. Ich habe es gewußt. Nicht umsonst
hat der alte Shep, der Schäferhund, den ganzen Morgen geheult. Und letzte Nacht
habe ich den Ruf des Käuzchens gehört, und gestern ist etwas Weißes über den
Hof gerannt. Es war keine Katze und auch kein Wiesel, sondern irgendwas anderes.
Die Hühner haben es auch gesehen; sie sind alle auf die eine Seite gerannt.
Ja, das war eine Warnung. Ich wußte, daß er kommt.«
- Saki, Die offene Tür. Zürich
1973
Näherkommen (9) Eine Schlagzeile
über weltweite Schneefälle und das Vordringen riesiger
Eismassen von den Polen her geht als letzte um die Erde. Dann wird systematisch
eine Nachrichtenagentur um die andere stillgelegt. Bellen,
Wiehern, Krächzen, Pfauchen und Trampeln sind die
allgegenwärtigen Geräusche, die nun niemand, aber
auch wirklich niemand mehr überhören kann. - Barbara Frischmuth,
Die unbekannte Hand. In: (
schrec
)
Näherkommen (10)
Näherkommen (11)
- M. C. Escher, nach Bruno Ernst, Der Zauberspiegel
des M. C. Escher. München 1985 (dtv 2879, zuerst 1978)
Näherkommen (12)
Näherkommen (13)
Näherkommen (14)
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