achtcafé
 

Die Patentante liest das Universum.
Frau Schlächtermeister sickert übers Sofa,
unten am Arm aus einem Ballen Fett
arbeitet sich der Daumen vor.

Erni plätschert in einer Frau, die er auf dem Eis gesehen hat.
Sie ist braun, mütterlich und wird ihn küssen.
Ich sitze im Geruche einer Frau.
Der klingt aus Heliotrop und Unterleib zusammen
und scheint mir süß, da diese Frau mir fremd ist.
Ihr Freund arbeitet in der Hosentasche.
Vielleicht handelt es sich um einen ausgetretenen Bruch.

Der Geschäftsführer trägt überall Rechtschaffenheit hin.
Er ist der Pionier der guten Sache.
Seine großen Zehen machen Fluchtversuche
mit den Knöcheln aus den Stiefeln.

Am Nebentisch wird gegurgelt:
Die Weiber: Ein zu blödsinniges Pack!
Ich habe tatsächlich noch keine gesehen,
die gewußt hätte, warum sich eigentlich die Mühlenflügel drehn,
ich nehme darüber eine Statistik auf.

Erni ist bei der Frau, die er auf dem Eis gesehen hat.
Er weidet ihre Lippen ab.
Die Leiber spielen aufeinander
unerhörte Melodien.
Dabei bohrt er einen jüngeren Herrn an: -
Der stürzt die linke Faust in seine Hüfte,
und aus den Spalten seiner Bekleidung
gebiert er einen Bierzipfel:
Sauve qui peut.

 - (benn)  

Nachtcafé (2)

824: Der Frauen Liebe und Leben.
Das Cello trinkt rasch mal. Die Flöte
rülpst tief drei Takte lang: das schöne Abendbrot.
Die Trommel liest den Kriminalroman zu Ende.

Grüne Zähne, Pickel im Gesicht
winkt einer Lidrandentzündung.

Fett im Haar
spricht zu offenem Mund mit Rachenmandel
Glaube Liebe Hoffnung um den Hals.

Junger Kropf ist Sattelnase gut.
Er bezahlt für sie drei Biere.

Bartflechte kauft Nelken,
Doppelkinn zu erweichen.

B-moll: die 35. Sonate.
Zwei Augen brüllen auf:
Spritzt nicht das Blut von Chopin in den Saal,
damit das Pack drauf rumlatscht!
Schluß! He, Gigi! —

Die Tür fließt hin: Ein Weib.
Wüste ausgedörrt. Kanaanitisch braun.
Keusch. Höhlenreich. Ein Duft kommt mit. Kaum Duft.
Es ist nur eine süße Vorwölbung der Luft gegen mein Gehirn.

Eine Fettleibigkeit trippelt hinterher.

 - (benn)

Nachtcafé (3)    Ich wurde eingeladen. Neue Freunde tauchten auf. Merkwürdige Menschen traten in meinen Gesichtskreis: Schriftsteller, Gelehrte, die sich mit Astronomie beschäftigten und vegetarisch lebten, Bildhauer mit Verfolgungswahn, Volksbeglücker mit verborgenen Lastern, ein gescheiterter Trinker, der von Übersetzungen lebte, Maler, Musiker und Philosophen. Was für ein merkwürdiger und interessanter Reigen! Nachtmenschen waren das, manche wie Schattenpflanzen, wie Bilsenkraut, das nachts in der Nähe der Dunghaufen blüht und giftig ist - Maulwürfe manche, die blind unter der Erde lebten — Molche wieder andere, denen ein Stück abgeschlagenen Schwanzes sofort wieder nachwuchs und die unverwundbar schienen. - George Grosz, Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst 1955
 
Nacht Café
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