acht, Pariser »Hast du an die Nacht gedacht, jetzt, zu anderen Zeiten, in fremden Ländern - in Paris? Als der Straße die Galle hochkam, vor Dingen, die du um keiner Wette willen getan hättest - und wie es damals war? Als Fasanenhälse und Gänseschnäbel gegen die Hechsen der Galane schlugen? -Nirgends Gehsteig oder Pflaster, alles Gosse, meilenweit ein Gestank, der einen schon zwanzig Meilen außerhalb der Stadt an der Nase packte. Die Marktschreier verkündeten Weinpreise zu solch gutem Nutzen, daß die Morgendämmerung auf wackere Schreiberlein voller Pisse und Essig schien. In seitlichen Gassen ließ man zur Ader, dort heulte eine tolle Prinzessin in samtenem Nachtgewand unter dem Blutegel; nicht zu reden von den Schlössern in Nymphenburg; bis nach Wien widerhallten sie vom nächtlichen Wandel verstorbener Könige, die ihr Wasser in Plüschkannen und feinste Holzarbeit abschlugen - nein«, sagte er und sah sie scharf an, »ich sehe dir an, daß du darüber noch nicht nachgedacht hast. Aber tu es! Denn die Nacht gibt es schon lange.«
Sie sagte: »Bisher habe ich nichts gewußt. Ich dachte, ich wüßte etwas, aber so war es nicht.«
»Richtig«, sagte der Doktor, »du hast es nur gedacht, und dabei hattest du
noch nicht einmal die Karten gemischt. Nun sind ja die Nächte der einen Epoche
nicht die Nächte der anderen. Ebensowenig sind die Nächte der einen Stadt die
Nächte der anderen. Nehmen wir Paris als Beispiel und Frankreich als Tatsache.
Ah, mon Dieu! La nuit effroyable! La nuit qui est une immense plaine, et le
cœur qui est une petite extremité! Gute Mutter, unser aller Mutter! Notre
Dame-de-bonne-Garde! Vermittle für mich, jetzt, da ich erkläre, auf was
ich hinauswill! Französische Nächte sind das, was alle Nationen auf der ganzen
Welt suchen - hast du das auch bemerkt? Frage nur den gewaltigen Doktor O'Connor!
Woher der Doktor alles weiß? Er ist überall gewesen, zur falschen Zeit, und
ist darüber anonym geworden.« - Djuna Barnes, Nachtgewächs. Frankfurt am Main 1981 (zuerst 1936)
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