achlassen  Obwohl der Wunsch nach Erwerb von Diesseitsgütern die vorherrschende Leidenschaft der Amerikaner ist, gibt es Augenblicke des Nachlassens, in denen ihre Seele plötzlich die materiellen Fesseln, die sie festhalten, zu zerreißen und stürmisch gen Himmel zu entfliehen scheint. In allen Staaten der Union, hauptsächlich aber in den halbbevölkerten Gegenden des Westens trifft man bisweilen Prediger an, die von Ort zu Ort wandernd das göttliche Wort verkünden. Ganze Familien, Greise, Frauen und Kinder ziehen durch unwirtliche Landstriche und durchqueren einsame Wälder, um ihnen von weither kommend zu lauschen; und wenn sie bei ihnen angelangt sind, vergessen sie bei ihrem Anhören einige Tage und Nächte lang die Sorge um ihre Angelegenheiten und selbst um die dringendsten leiblichen Bedürfnisse.

In der amerikanischen Gesellschaft findet man da und dort Gemüter, die ganz von einem überspannten und fast wilden Drang zum Übersinnlichen ergriffen sind, wie man ihn in Europa nicht antrifft. Von Zeit zu Zeit erheben sich seltsame Sekten, die darauf ausgehen, außergewöhnliche Wege zur ewigen Glückseligkeit zu entdecken. Die Formen religiösen Wahns sind dort sehr verbreitet.

Das kann uns nicht überraschen.   - Alexis de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika. München 1976 (dtv 6063, zuerst 1835/1840)

Nachlassen (2) Indem der Tastsinn nachläßt, das Gehör nachläßt, die Sehkraft nachläßt, das Hirn weniger aufnimmt und langsamer arbeitet, die Emotionalität schwindet, die Neugierde schwindet oder sich zumindest verengt, die Reflexe sich wiederholen oder überhaupt ausfallen, die Assoziation stockt, die Fantasie verdorrt, die Begierde jeder Art nachläßt usw., kann es sein, daß der Gezeichnete es leichter hat mit seiner Kunst: es fällt ihm nur noch ein, was er meistert (Alters-Stil). - Max Frisch, Tagebuch 1966 - 1971. Frankfurt am Main 1972

Nachlassen (3)

Schwäche Altern
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