Nachahmung Gottes  In einem stürmischen Gespräch, das in Gegenwart Theophanos stattfand, stellte Polyeuktes Nikephoros vor die Wahl, entweder seine Ehefrau unverzüglich zu verstoßen, und zwar vor seinem Beichtvater, der sie getraut hatte, oder das ekklesiastische Interdikt hinzunehmen, das ihn aus der Kirche ausschlösse und ihm die Wahrnehmung aller Rechte versagte, die die Kirche den Kaisern gewährte. Für einen Mann wie Nikephoros Phokas, der die Verpflichtung zur Nachahmung Gottes, die den byzantinischen Kaisern traditionsgemäß oblag, wörtlich genommen hatte, bedeutete diese Drohung einen Sturz in die Finsternis der Sünde, und ließ die bedrohliche Figur des Antichristen in Gestalt der schönen Theophano vor seinen verwirrten Augen erscheinen. Aber er sagte sich sofort, daß nur er allein die Verantwortung für diese Heirat trug, und daß es nun an ihm war, den Fehler wieder gutzumachen. Nach ermüdenden Diskussionen, Zerknirschungen, Verspre/ chungen, Drohungen, Vorschlägen und Sinnesänderungen gelangten die beiden Parteien schließlich zu einem Kompromiß. Da Nikephoros sich weigerte, Theophano zu verstoßen, zu deren Sklaven er sich, wie aus jedem seiner Worte hervorging, mittlerweile gemacht hatte, bürdete Polyeuktes ihm eine Buße auf, die zugleich eine harte Strafe für ihn war. Er ließ ihn auf das Kruzifix schwören, daß er und Theophano für die Dauer eines Jahres wie Bruder und Schwester leben würden.

Dieser Schwur, der Nikephoros ein schmerzliches Opfer abverlangte, bedeutete eine Erleichterung für die Regentin Theophano, die trotz ihrer verheißungsvollen Worte und der bereitwilligen Aufnahme in ihrem Bett, diesen ungeschlachten und ältlichen Soldaten nur geheiratet hatte, um Mantel und Krone der Kaiserin wieder tragen zu können. Und so gerann das eheliche Leben von Nikephoros und Theophano zu einer pathetischen Fiktion. Nikephoros überhäufte seine Frau mit Geschenken und Aufmerksamkeiten, und sie dankte es ihm, indem sie ihre heimlichen Liebschaften wieder aufnahm, jene kurzen Abenteuer mit Soldaten, Pagen, Kammerdienern, Händlern, Gesandten, ausländischen Fürsten, freizügigen Mönchen, Gärtnern und Marketendern, die sie stets von demselben Eunuchen ihres Vertrauens ansprechen ließ — eine Suche nach Abenteuern, bei der sie sich immer zügelloser, lasterhafter und unersättlicher zeigte. Die Höflinge gaben vor, nichts zu sehen, auch weil es mehr als einmal vorgekommen war, daß zufällige Zeugen solcher Begegnungen seltsame und unerwartete Unfälle erlitten: sie stürzten aus einem Fenster oder von einer Terrasse, sie starben vergiftet, ihre Körper wurden im Meer gefunden oder sie verschwanden für immer ohne Hinterlassung einer Spur.   - Luigi Malerba, Das Griechische Feuer. Berlin 1991

 

Nachahmung Gott

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme