usterung, dadaistische Rumänien brauchte Soldaten. Tristan Tzara hatte den Befehl bekommen, sich zu stellen. Aber ... ein Zürcher Psychiater hatte über ihn ein Gutachten abgegeben: Dementia praecox, Jugendirresein. Mit diesem Gutachten bewaffnet, mußte Tzara sich einem ärztlichen Gerichte vorstellen, das in Bern tagte. Und mich hatte er zu seinem Begleiter ausersehen. Unterwegs lasen wir das Gutachten des Psychiaters: es war sehr amüsant. Als Beweis für den Irrsinn seines Patienten hatte der Seelenarzt Gedichte seines Patienten zitiert, die mehr als deutlich beweisen sollten, daß es sich hier um einen krassen Fall von Verblödung handeln müsse.
Tzara spielte seine Rolle ausgezeichnet. Er ließ das Kinn hängen und zarte
Speichelfäden auf seine schiefgebundene Krawatte träufeln, die ich ihm jedesmal
sorgsam abwischte. Die Fragen der rumänischen Ärzte, die in einem Hörsaal des
Inselspitals versammelt waren, mußte ich beantworten. Tzara beschränkte sich
darauf, undeutliche «ha» und «ho» zu murmeln. Ich bat die Anwesenden dringend,
den Kranken nicht durch zu viele Fragen zu reizen, er werde sonst aufgeregt,
und schwierig sei es dann, ihn wieder zur Räson zu bringen. Sicher fiel es Tzara
an diesem Tage nicht allzu schwer, ein wenig katatonen Stupor vorzutäuschen.
Latzko hatte damals in der «Neuen Zürcher Zeitung» seine ersten Kriegsnovellen
erscheinen lassen, langsam wehte über die Grenzen ein großes Grauen. Daß
auch Tzara, der sonst Realität, Gefühle und Psychologie aus der Kunst ausmerzen
wollte, sobald es sich um seine Person handelte, doch wenigstens das Gefühl
der Angst zu kennen schien, war nicht weiter bemerkenswert. Erst als er sicher
war, daß er endgültig kriegsuntauglich war (mir wurde ein Zeugnis in die Hand gedrückt, auf dem dieses bestätigt
wurde), raffte er sich zu einem ersten Witz auf. Ich führte den Stolpernden
vorsichtig zur Tür. Dort jedoch wandte er sich um und sprach laut und deutlich:
«Merde», und wie zur Bekräftigung fügte er hinzu: «Dada.» - Friedrich Glauser: Dada, Ascona und andere Erinnerungen. Zürich 1976
Musterung, dadaistische (2) Eines Tages war Arp gezwungen, sich, begleitet von unserem Freund und Beschützer Dr. Huber, auf dem deutschen Generalkonsulat in Zürich vorzustellen [das Elsaß war damals noch unter deutscher Herrschaft]. Seine Kriegsdiensttauglichkeit, das heißt sein geistiger Zustand sollte untersucht werden, da ja ernsthafte Zweifel daran bestanden, weil ein normaler Mensch weder Dadaist noch abstrakter Maler geworden sein könnte. Nach ausholenden Beruhigungsgesten führten die beiden untersuchenden Konsularärzte im weißen Kittel den nicht widerstrebenden Arp in ein großes Zimmer, sahen ihn genau an und fragten ihn dann, wie alt er sei. Arp zögerte, als ob er nachdächte, bat dann um ein Stück Papier und schrieb sein Geburtsdatum
16.9.87
16.9.87
16.9.87... .,
bis die Seite voll war. Dann addierte er die Summe und reichte das Resultat
den Examinatoren. Sie glaubten ihm. - Hans Richter, Dada-Profile. Zürich 1961
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