Muschelkalk  Eine höchst wunderliche Gewohnheit der Kágaba ist das das Kalkessen. Jeder der Männer führt ständig bei sich eine kleine Kalebassenflasche, die Kalkdose (ßugi). Sie ist gefüllt mit Kalk, den man gewinnt aus der im Meere lebenden und von der Küste bezogenen Chengi-Muschel (nukuluva), die gebrannt und zu Pulver zerstoßen wird, und hat oben ein Loch, das verschlossen wird durch ein Stäbchen. Mit diesem holt man den Kalk heraus und ißt ihn zusammen mit Kokablättern, die man in der Umhängetasche stets zur Hand hat. Danach streicht man das Stäbchen am Rande der Kalkdose ab, wo sich mit der Zeit ein dicker tönerner Rand bildet von dem Kalk und dem Kokaspeichel. Mit diesem Geräte nun sind die Männer immerfort beschäftigt, dauernd hört man in den Kalebassen die zierlichen Stäbchen klappern und, nachdem sie abgeleckt, das eigenartige Knirpsen beim Abstreichen des Kalkes. Es gleicht dieser Stab in seinen wendigen Bewegungen fast einem Tanzgerät, und eine alte Sage erzählt uns von der lebensspendenden und zauberischen Kraft des Muschelkalkes - so ist dieser Brauch durchaus nicht nur als ein Genuß- oder Reizmittel zu verstehen, sondern als Starkhalten, ein fortwährend geübtes inneres Sich-Aufbereiten: der Saft der Koka hält durch das Kokain uns frisch, beschwingt das Gemüt und befähigt, Müdigkeit und Hunger betäubend, zu langem Wandern; der Muschelkalk, vom göttlichen Ahnen Hívika überbracht, weiß von Farbe, dem Meere entstammend und in Feuer gebrannt, hat eine männliche reine, geistige Kraft. Allen Frauen ist das Kalkessen verboten. So hat es die Allmutter bestimmt.    - Jürgen von der Wense, nach: Der Pfahl VII. München 1993
 

Muschel Kalk

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