ultitalent Im Verlaufe eines Vierteljahrhunderts war Scipion nacheinander Kutscher eines Ziegenwagens für Kinder, Tätowierer, Medium, Verkäufer von jungen Hunden, die er über die Canebière spazierenführte, nicht zugelassener Boote bei den Messageries Maritimes, Forscher - er hatte sich diesen Titel nach einer Reise nach Lyon zugestanden -, Enttätowierer, Wilder auf dem Jahrmarkt von Plaine. In dieser Eigenschaft stieß er, schwarz beschmiert und von Mittag bis Mitternacht in einen Käfig eingesperrt, ein Geschrei aus, das seine Freunde erzittern ließ. Er ernährte sich dabei von Tabak, von Mäusen und Wurzelwerk. Dann war er falscher Dauerzeuge auf dem Bürgermeisteramt, Verkäufer jener Anchoviskuchen, die man in Marseiile Heiße nennt, Wortführer der provencalischen Autonomistenpartei und ehemaliger nicht gewählter Stadtrat von Plan de Cuques.
Einer der Berufe, die er am längsten ausgeübt hatte, war der eines öffentlichen
Schreibers. Er hatte dazu in der Cours Saint-Julien einen kleinen Wohnwagen
abgestellt, in dem er unter einem Foto von Monsieur Thiers thronte. »Etwas Geduld,
Lockenköpfchen«, sagte er zu seinen Kundinnen. »Mein Sekretär wird gleich kommen.«
Dieser öffentliche Schreiber konnte zwar die großen Druckbuchstaben lesen, verstand
aber nichts von der Kunst der Schrift. Er hatte daher einen kleinen Schuljungen
aus der Rue de Lodi in seinen Diensten, der nach dem doppelten Diktat der Kundin
und Scipions schrieb, dessen Ohren in diesen professionellen Stunden mit Gänsefedern,
einem Stück Kreide und einem Füllhalter veredelt waren. - (
eisen
)
Multitalent (2) Arthur Cravan
beschrieb sich selbst als Hochstapler, Seemann
im Pazifik, Mauleseltreiber, Orangenpflücker in Kalifornien, Schlangenbeschwörer,
Hoteldieb, Neffe von Oscar Wilde, Holzfäller
in Riesenwäldern, Ex-Boxchampion von Frankreich, Enkel des Kanzlers der Königin
von England, Chauffeur in Berlin … -
Nach: Hans Richter, Dada - Kunst und Antikunst. Köln 1964
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