Müllmann   Wir passen auf, daß die Schmiergelder, die wir einstreichen, die Zehnmarkgrenze nicht unterschreiten; wir lassen sie ihr Vergessen etwas kosten. - Auch deshalb sind wir ununterbrochen dabei, an all die vergessenen Dinge zu denken. Es ist etwas in all dem Zeug hier auf dem Gelände ... in all diesem Eigentum, in dem herrenlos gewordenen Sekundärreichtum: in dem altmodischen Kulturgut; zwischen defekten Kaffeemühlen, Radios und Klodeckeln, verrosteten Fahrrädern und Schreibtischen, zwischen Parteitagsbroschüren und Kaderakten und Fotoalben, und Asche, und in den tausend und abertausend Tonnen Vergangenheit. . . darin ist etwas, das noch nicht gelernt hat zu schweigen. Und wir sind welche, die ebensowenig gelernt haben zu schweigen. Immer denken wir daran, was uns all dieses Zeug zu sagen hat, hier auf dem Gelände. Was es uns zu denken gibt, das Zeug, das die Stadt verdaut hat, und das sie nun für ausgedrückt hält. Es ist, als ob es lieber bei uns wäre, das ganze Kulturgut, denken wir grinsend.  - Wolfgang Hilbig, Die Kunde von den Bäumen. Frankfurt am Main 1994

Müllmänner  (2)   ... beim zweiten Torweg bringen zwei Gefangene in Drillichzeug zwei große, sehr schwere Mülleimer raus, es sind französische Gefangene... ich sage ihnen guten Tag, sie antworten uns, aber recht kühl... ich sehe schon, was los ist, sie wissen Bescheid, wer wir sind... die Nachrichten verbreiten sich verdammt schnell, ganz Brandenburg wird wohl darüber unterrichtet sein, daß die drei Monstren auf Bummel sind... je gehässiger, doofer die Klatschgeschichten sind, desto schneller sind sie in Umlauf, von den Hausfrauen zu den Rüben, zu den Gefangenen und zu den Kneipen ... schön, ich hole zwei Schachteln raus, drei! ... reiche sie ihnen... danke!... also?... ich frage: was Neues?... neu war: Simmer, der Landrat, dieser schmuckbehängte Schwule, hatte gestern drei Gefangene erschießen lassen, auch Müllmänner, wie sie, der Grund: sie hatten die Bullen der Kommandantur, die den Appell abnahmen und ihnen ihr Drillichzeug wegnahmen, um es rot und schwarz anzumalen, sales boches genannt...

Das tut uns sehr leid!... diese Boches sind ekelhaft!

«Oh, mit denen dauert es nicht mehr lange!... die kriegen schwer einen in die Fresse! und ihr auch!»

Wir sind abgestempelt, das sehe ich... keinen Zweck, sich aufzuhalten ... wir widern sie an... ich stecke ihnen noch zwei Schachteln zu...

«Heil! heil!»

Wie sie sich bedanken!... sie hängen ihr dickes Lederzeug wieder um... die Traggurte, haken ihre riesigen Müllkästen an... «hauruck!»... verlorene Liebesmüh... wir ziehen ab... wir sind schon auf dem anderen Platz, da hören wir sie noch ... «Heil! heil!» ... sie waren wirklich haßerfüllt, diese beiden Müllmänner... und die Pimpfe erst!... und die Nutten!... außerdem der Landrat! wirklich einmütig!... dazu die Gänse und die Bibelforscher!... von der Sorte mußte es noch eine Masse geben, ganz Moorsburg voll, Leute, die zu allem bereit waren, vor allem dazu, uns zu vierteilen!... ich sage mir: davon werden wir bestimmt noch viele treffen ... - Louis-Ferdinad Céline, Norden. Reinbek bei Hamburg 2007 (zuerst 1967)

 

Beruf Müll

 

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