ücke, grüne   Ohne Zweifel deswegen, weil Venedig - eine Stadt, die zu Begegnungen, zu Intrigen und zu langem Verweilen und Plaudern auf ihren Cafeterrassen einlädt - als Kulisse gegenwärtig war, erzählte mir Giacometti, er sei sehr in eine Frau verliebt und hege deswegen einen Groll gegen Edouard Pignon (jenen zeitgenössischen Maler, der mich durch seine stämmige Statur und seine heute allmählich verblassende kupferrote Mähne immer an einen Kampmahn erinnert hat, wie es sie in Nordfrankreich gibt, wo er herkommt). In rüpelhaftem Ton, wie der durch solche Rede Verletzte es empfand, hatte Pignon über diese Frau, die er wahrscheinlich gut genug kannte, um über sie ein so peremptorisches Urteil zu fällen, geäußert: "Sie ist ein Ramsch, die Grüne Mücke."

Ein Ramsch: mit anderen Worten, etwas, was unter seinem Preis verkauft wird. Aber warum Grüne Mücke? Und was steckte hinter diesem seltsamen, etwas pöbelhaften Spitznamen? Das fragte ich mich jedes Mal, wenn mir die Geschichte wieder einfiel... Bis zu dem Tag, an dem ich - ich weiß nicht wie - erfuhr, daß der Blasenkäfer, aus dem man das Pulver mit der bekannten Wirkung gewinnt, eine grüne Mücke ist. Ich würde gerne meine Quelle wieder zu Rate ziehen, da mir ein Zweifel kam, als ich (auf der Suche nach einer Bestätigung) feststellte, daß mein Wörterbuch sich jeder Angabe betreffs des Aussehens dieses Insekts enthält und sich mit dem Hinweis begnügt, es werde gewöhnlich »Spanische Fliege« genannt.

Wenn ich in einem Entomologiebuch nachschlagen würde, dann wäre die Frage schnell entschieden. Ich bin jedoch zu faul oder zu vernünftig, so daß es mir widerstrebt, in einem wissenschaftlichen Werk eine Antwort auf diese nichtige Frage zu suchen, und gebe mich mit der Idee zufrieden, daß der Blasenkäfer oder die Spanische Fliege tatsächlich eine Grüne Mücke sein kann, so daß mein Zweifel unbegründet ist. Im übrigen glaube ich nicht, daß darin das wirkliche Problem liegt, denn seltsamerweise lief der Traum so ab, als hätte ich es - dank welcher obskuren Intuition oder plötzlichen Vergegenwärtigung eines vergessenen Wissens? - nicht nötig, den genauen Sinn des Ausdrucks »Grüne Mücke« zu kennen, um ihn im Rahmen einer imaginären üblen Nachrede in den richtigen Zusammenhang zu stellen. Wie stark, sage ich mir, indem ich meine Skrupel über Bord werfe, mußte also die erotische Ausstrahlungskraft jener von Giacometti geliebten Person sein, die Pignon als Nutte bezeichnete, nicht ohne ihr - über den Spitznamen, den sie aus Trotz vielleicht zu ihrem Kriegsnamen gemacht hatte wie eine Tarnung in schreienden Farben - jene Kräfte zuzuerkennen, die es erlaubten, dieses vielerfahrene leichte Mädchen mit einem Aphrodisiakum zu vergleichen, das man für ebenso gefährlich halten konnte wie die giftige Kohlenfliege, die ich als Kind mit der gewöhnlichen großen, blau schimmernden Stubenfliege verwechselt habe!

Mittlerweile ist Alberto Giacometti nicht mehr. Was Edouard Pignon angeht, so fällt mir auf - und ich sehe darin gern eine Einwirkung des Traumes auf die Wirklichkeit - daß er vor nicht allzu langer Zeit eine Serie von Roten Akten gemalt hat, als habe er gleichsam als Komplementäreffekt ein Gegengewicht schaffen wollen zu der Grünen Mücke, die in einem Traum aufgetaucht war, den nicht er geträumt hatte und von dem er nichts wußte. - (leiris2)

 

Fliege

 

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