onsterkugel

DIE MONSTERKUGEL
(Volvox supremus H.) — Klasse: Phytomonadina Verbreitung: weltweit, besonders auch in Deutschland
Größe: über 10 Meter Durchmesser
Farbe: bunt, kein Vorherrschen einer bestimmten Farbe

Die Monsterkugel zählt zu den Nackten Geißelträgern und bildet dort eine außerordentlich merkwürdige Erscheinung. Man kennt ja die Flimmerkugel, deren Durchmesser im besten Falle 1/2 Millimeter erreicht. Die Monsterkugel nun ähnelt in ihrem Aussehen der eben erwähnten Volvox globator Ehrbg. aufs genaueste, nur hat sie Dimensionen, die alles Herkömmliche übersteigen. Man fand Kugeln von der Größe mittlerer Kürbisse, aber nicht genug an dem, immer wieder traten auch Tiere auf, deren Durchmesser zehn oder mehr Meter betrug. Diese Organismen, die ja aus unendlich vielen Einzelwesen bestehen, rollen nun außerdem noch zu Land umher und richten überall höchste Verwirrung an. »Ich wollte«, erzählt Moritz Treitschke, »an einem windigen Tag eben eine Anzahl erledigter Korrespondenzen zum nahen Postamt tragen, als in dem Augenblicke, da ich die Straßenecke zu gewinnen trachtete, urplötzlich ein ganz schreckliches Riesengebilde, einer Kugel nicht unähnlich, in ziemlicher Geschwindigkeit auf mich zurollte. Nur ein kühner Sprung über eine nahe Gartenumzäunung konnte mich vor dem Ungetüm retten. Ehe ich noch meine überraschten Sinne gesammelt hatte, war die Kugel schon weiter gerollt, überall unermeßlichen Schaden anrichtend. An diesem Tage hatte ich meine Briefe in jenem Garten vergessen, man kann sich den für mich dadurch entstandenen Verlust lebhaft vorstellen!«

Und Zünzelmann weiß zu berichten: »Einer Begegnung mit einer riesenhaften Volvox kann ich mich noch außerordentlich gut erinnern. Geschah dies doch an jenem Tag, da meine herzliebe Mutter ihr neunzigstes Geburtsfest feierlich begehen wollte. Man darf es einem alten Mann glauben, daß er dazu sein Bestes beizutragen wünschte. So machte ich mich auf und besorgte der leckeren Dinge mehrere, süßen Konfekt, mancherlei Törtchen und Kuchen. Nicht ohne heiteres Geschäker mit dem lieblichen Ladenmädchen ging es ab, war ich doch ein getreuer Stammkunde. Schwer bepackt mit geheimnisvollen Schächtelchen wanderte ich sodann zum Hause meiner geliebten Mutter. Dort empfing man mich freudig. Schon war die ganze zahlreiche Familie versammelt. Nach dem feierlich-ernstmütigen Choral ›So nimm denn meine Hände‹ fanden sich alle mit ihren von Herzen kommenden Gratulationen ein. Mein Mütterlein dankte in bewegten Worten, wobei manch einer sich verstohlen eine Zähre der männlichen Rührung wegwischen mochte. Ein festliches Mahl beschloß den würdevollen Tag. Man ging in der frohen Gewißheit auseinander, einer seltenen Gelegenheit beigewohnt haben zu dürfen. Was Wunder, wenn sich in die Erinnerung an diese schönen Stunden auch die an die Monsterkugel (Volvox supremus H.) mit einschließt!« Soweit Zünzelmann.

Die Volvox bewegt sich mittels eines gleichgerichteten Flimmerschlags zahlloser Geißeln, eine Erscheinung, die, wie Victor Franz zu Recht bemerkt, »wohl jedem Biologen seit Leeuwenhoeck schon Freude gemacht hat«. Uberhaupt scheint die Organisation all der hier vereinigten Einzeller ganz vorzüglich zu funktionieren. Geradezu gräßlich muß es sein, wenn eine Monsterkugel sich zerteilt. Da sollen die Brocken umherspritzen wie bei einem Feuerwerk. »Unauslöschlich ist mir die Erinnerung an das große Feuerwerk zu Ehren des Kaisers an seinem achtzigsten Geburtstag«, schreibt Perlacher. Aus solchen und ähnlichen Äußerungen kann man sich die Gewalt einer derartigen Volvoxteilung vorstellen, ja es soll vorkommen, daß eine Monsterkugel dabei in Millionen winzigster Kügelchen völlig zerstäubt und sohin wie gänzlich abhandengekommen erscheint. Zünzelmann: »Wir suchten damals in großer Not die zu Boden gefallenen Perlen einer kostbaren Halskette meiner verehrten Großmutter (Linie v. Zabern).«

Es ist bisher nicht befriedigend gelungen, die Monsterkugel einer nützlichen Verwertung zuzuführen. Schon lange hat es besonders die deutsche Gelehrtenwelt verstimmt, mitansehen zu müssen, wie derart ungeheure Ballungen an Energie tatenlos in die Umwelt verlaufen. Doch entzieht sich die Volvox geschickt jedem Eingriff. Es scheint, daß hier die verschwenderische Natur ihre Allmacht zu zeigen bestrebt ist, der auch gründlichster Gelehrtenfleiß nichts anzuhaben vermag.

Doch ist es vielleicht nur mehr eine Frage der Zeit, daß man der Monsterkugel beikomme. Schon erheben sich allenthalben Stimmen, derartige Erscheinungen der Tierwelt mit Rücksicht auf die Volksgesundheit überhaupt zu verbieten. Der Tierfreund wird sich also beeilen müssen, will er der Monsterkugel noch ansichtig werden. - (kv)

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