ondkuh   Genau auf uns zu kamen Geräusche, als würde das Gestrüpp zertreten und zerstampft. Als wir uns dann niederkauerten und versuchten, uns darüber klarzuwerden, wie nah dieses Geräusch war und aus welcher Richtung es kam, setzte in unserem Rücken ein so nahes und heftiges Gebrüll ein, daß die Spitzen der Stachelbüsche erbebten und man den Atem des Tiers heiß und feucht verspürte. Als wir uns umwandten, sahen wir durch ein Gewirr schwankender Stengel die glänzenden Flanken einer Mondkuh. Ihr langer Rücken zeichnete sich scharf gegen den Himmel ab.

Heute ist es natürlich schwierig für mich zu sagen, wieviel ich damals wirklich sah, da meine Eindrücke durch spätere Beobachtungen noch berichtigt wurden. Der erste Eindruck aber war der riesiger Größe: Der Leibesumfang mochte an die dreißig Meter ausmachen und die Länge vielleicht siebzig. Ein mächtiges Atmen ließ die Flanken des Tiers erbeben. Ich bemerkte, daß sein riesiger, schlaffer Körper am Boden schleifte und seine Haut runzlig und von schmutzigem Weiß war, das am Rückgrat in Schwarz überging. Von seinen Beinen aber sahen wir nichts. Ich glaube, daß wir damals auch das Profil sahen, zumindest das des fast hirnlosen Kopfes mit seiner Fettwulst im Nacken, seinem triefenden, gierigen Maul, den kleinen Nasenlöchern und den winzigen, festgeschlossenen Augen. (Denn die Mondkuh schließt bei Sonnenschein sogleich die Augen.) Wir erblickten einen riesigen roten Schlund, als sie das Maul öffnete, um wieder zu blöken und zu brüllen. Uns traf der Atem aus diesem Schlund, und dann drehte das Ungeheuer bei wie ein Schiff, schleppte sich über den Boden weiter, wobei sich seine Lederhaut runzelte, streckte sich erneut und wälzte sich an uns vorbei. Es hinterließ einen Pfad inmitten des Gestrüpps und war unseren Blicken durch die dazwischenliegende Vegetation bald wieder verborgen. In größerer, Entfernung tauchte noch eins auf und dann, als führte er diese lebender Vorratsklumpen auf ihre Weide, trat ein Selenit kurz in unser Blickfeld. - Herbert George Wells, Die ersten Menschen auf dem Mond. Reinbek bei Hamburg 1968 (rororo 1026, zuerst 1901)
 

Mond Kuh

 

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