Monat, verrückter  »Sieh mal«, begann ich. »Ich hab einen verrückten Monat hinter mir. Ich nehme jetzt Dinge wahr, die ich früher nie bemerkt habe. Ich hab nie Todesanzeigen gelesen. Jetzt tu ich's. Hat es bei dir schon mal Wochen oder Monate gegeben, wo einer deiner Freunde nach dem anderen durchgedreht oder abgehauen oder tot umgefallen ist?«

»Mit sechzig«, lachte Constance Rattigan ironisch, »hat man davon ganze Jahre! Ich bekomm's schon mit der Angst zu tun, wenn ich 'ne Treppe runtergeh; ein Freund von mir ist auf 'ner Treppe gestolpert und hat sich den Hals gebrochen. Beim Essen hab ich Angst; zwei gute Bekannte sind daran erstickt. Baden im Meer? Drei gute Freunde ertrunken. Fliegen? Sechs Bekannte abgestürzt. Autos? Zwanzig. Schlafen? Schön war's, zehn Freunde von mir sind im Bett gestorben, haben holterdipolter den Geist aufgegeben. Alkohol? Vierzehn Bekannte an Leberzirrhose. Stell du mal 'ne Liste auf, bei dir hat's ja eben erst angefangen. Ich hab schon ein ganzes Adreßbuch voll, da!«

Sie griff nach einem kleinen schwarzen Buch auf dem Tisch an der Tür und warf es mir zu.

»Mein Buch der Toten.«

»Was?«

Ich blätterte darin, sah die Namen und neben der Hälfte von ihnen ein kleines rotes Kreuz.   - Ray Bradbury, Der Tod ist ein einsames Geschäft. Zürich 1989

 

Monat Verrückt

 

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