ohammedaner   Rimbaud war körperlich ein ziemlich schlanker Mann, von einer über dem Durchschnitt großen Gestalt, eher mager, und hatte ein wenig sympathisches, eher häßliches Gesicht, das seine Wirtin zu der Bemerkung veranlaßte: «Mit dem da erhält Abessinien auch noch kein bemerkenswertes Muster der französischen Rasse.» Vorher hatte Herr Moudon-Vidaillet in ihrem Hotel gewohnt, der anscheinend häßlicher im körperlichen Aussehen war; auch er begab sich nach Abessinien, wo er trotz seiner Häßlichkeit Berater Meneliks wurde. Rimbaud sprach ebenso wie Moudon gewandt, fließend, sogar gewählt. Er redete manchmal, aber nicht oft, ausführlich über gleichgültig welchen Gegenstand; im Politischen zeigte er sich als überzeugter Antilklerikaler, nach Freiheit und Unabhängigkeit begierig, ein Empörer, der sich gern über Gesetze und Vorschriften lustig machte, die er im höchsten Grade zu verachten schien. Er las gern Le Rappel, La Lanterne und erklärte, mit den Communards in Paris im Gefängnis gewesen zu sein.

[Nichtssagende, bereits durch das Gerede gefärbte Meinungen des Generalkonsuls de Gaspary und seines Kanzlers.]

Herr Berrichon, der Schwager Rimbauds, täuscht sich entschieden über die Bedeutung eben dieses Rimbaud. Sein Einfluß in Abessinien ist weit davon entfernt, registriert zu werden; er war vielmehr verrufen und wenig beliebt, derart groß waren seine Raubgier und Gewinnsucht. Man muß ihn unter die Schar der Mercantis rechnen, die dies Land unsicher gemacht haben.

Abwechselnd war er übersprudelnd oder schweigsam, «je nach Laune», sagte er. Nachdem er seine Tischgenossen mit seinen originellen, von Argot und literarischen Zitaten durchsetzten Gedankenblitzen, die, nebenbei, recht geistvoll waren, geblendet hatte, verfiel er in eine Stummheit von mehreren Tagen, indem er sich in sein Zimmer einschloß, wo er nichts tat als Trinken und Pfeife und Zigarren rauchen, vielleicht auch Haschisch, denn seine Erinnerungen an Ägypten waren lebhaft.

Dieser wunderbar reich begabte Geist, von einer merkwürdigen Ursprünglichkeit und begierig nach Unbekanntem, war mit einem zähen Willen ausgestattet. Bei all den Ärgernissen, die ihm in seinem Geschäft mit den zweitausend Gewehren widerfuhren: aufeinanderfolgender Tod seiner beiden Gesellschafter, ständig aus irgendeinem Grunde hinausgeschobener Aufbruch, gab er niemals die Obacht über seine Karawane oder die Überwachung seiner Waren auf, indem er mitten unter seinen Lasttieren schlief und auf dem Marsch eine überraschende Tätigkeit entfaltete, da er semen Blick überall hatte. Obwohl beritten, machte er dreiviertel des Weges zu Fuß. Er war übrigens ein unermüdlicher Fußgänger, der Hunger und Durst aushalten konnte, wenn es nötig war.

Seine Befehle waren klar, genau, der Ton, in dem sie gegeben wurden, war, ohne brutal zu sein, seltsam nachdrüddich; er verstand es, sich ohne unnütze Härte Gehorsam zu verschaffen. Da er die arabische Sprache vollkommen beherrschte, unterhielt er sich im Biwak mit seinen Kameltreibern, wußte ihnen die Urkunden ihrer Religion darzulegen und las geläufig den Koran, den er in seinem Interesse auszulegen verstand, Jeder aus seiner Umgebung sagte, daß er Mohammedaner geworden sei; außerdem trug er deren Kleidung mit einer gewissen Betonung. Mit seiner schwarzbraunen Haut, seinen sehr strahlenden, beinahe fieberhaften Augen, seinem zerfurchten Gesicht, eingerahmt von einem zu einer Art Halsband gestutzten Bart, brachte er in seine Beziehungen zu den Eingeborenen eine gewisse Vornehmheit, die, verbunden mit seiner Kenntnis der Sprache und der Sitten, allen seinen Dienern Ehrfurcht einflößte. Wenn Rimbaud einen Aufbruch vorbereitete, wies er immer Kameltreiber ab, die in zu großer Zahl gekommen waren, um ihre Dienste anzubieten. Er war also bei dem betreffenden Bevölkerungsteil bekannt und hochgeschätzt, und sein guter Ruf war begründet.

So aktiv Rimbaud während der Karawane war, so abweichend verhielt er sich in der Ruhezeit; Alkohol in allen Formen, Tabak, Haschisch, sogar Opium waren ihm vertraut. In Zeiten der Niedergeschlagenheit und des Lebensüberdrusses stumpfte er sich in ausgedehntem Genuß all dieser Drogen ab. Aus diesen Zeiten «schlechter Laune» kam er mitgenommen, zerfahren und verdrossen hervor, er aß kaum, trank aber immer genug.

Wenn er an die Küste herunterkam, bestanden seine liebsten Mahlzeiten aus gepfefferten, maßlos gewürzten Gerichten. Er liebte Krabben, Langusten, Krebse auf amerikanische Art, Muscheln, Dorschrogen, Curry-Reis, und auf seinem Tisch stand immer gemahlener roter Pfeffer, den die Abessinier Berberi nennen. Er brennt sehr viel stärker als alle Essiglake und aller Senf Europas. Diese Spielerei hätte Rimbauds Magen nicht lange treiben dürfen; ich kenne solche, die viel weniger Gebrauch davon gemacht haben und noch bereuen, von diesen Teufelsgewürzen gekostet zu haben!

In bezug auf Frauen bediente Rimbaud sich der Eingeborenen. In Aden hatte er 1884 eine abessinische Frau. Man wußte bei ihm von einer Argoba-Frau, von der er mehrere Kinder bekam, die aber alle verschwunden sind, ohne Spuren oder Erinnerungen zu hinterlassen. Nebenbei bemerkt, die Argobas gehören zum schönsten Eingeborenentyp der unmittelbaren Umgebung von Harar. Sie behaupten, von den alten Portugiesen abzustammen, die zu wiederholten Malen von den Königen Äthiopiens als Hilfstruppen und Verbündete in den Kämpfen herbeigerufen wurden, die jene gegen den Islam führten. Es wird erzählt, daß die Stadt Harar von den genannten Portugiesen befestigt wurde. Im Hinblick auf die Kleidung erkennt man die Argoba- und Harari-Frauen an einem zweifarbigen Gewand, die eine Seite ist schwarz, die andere granatfarben, und auf beiden Seiten das Kreuzzeichen, vorn und hinten. Dies kann nur ein Überbleibsel vom Durchzug der Portugiesen sein. Halten wir noch fest, daß an den Tagen religiöser oder anderer Feierlichkeiten die Granatfarbe getragen werden muß.

  Der Leser möge den Verfasser dieser Bemerkungen für diese Abschweifung gütig entschuldigen, die uns etwas zu sehr von Rimbaud entfernt, von dem wir zum Schluß eine letzte Einzelheit anführen wollen. An lebenden Sprachen beherrschte Rimbaud neben dem Arabischen Englisch, Italienisch, Deutsch, etwas Slawisches. Von den toten Sprachen, Griechisch oder Latein, war ihm keine fremd. Vielleicht um seine Gefährten vor Erstaunen Mund und Nase aufsperren zu lassen, oder um ihnen eine bessere Vorstellung von sich zu geben, begann er eines Tages in Obock sich mit einem sehr gelehrten griechischen Popen zu unterhalten, der viel Mühe hatte, sich ihm gegenüber zu behaupten. Die Unterhaltung fand auf altgriechisch statt, und der Pope bezeichnete seinen Gesprächspartner später immer als «den hervorragenden Menschen».

Dieser hervorragende Mensch ist 1891 in Marseille im Alter von siebenunddreißig Jahren gestorben, wobei er immer wieder sagte: «Allah Kerim!» (Gott ist gnädig!) Mit diesen einzigen Worten beschließt sich gemäß dem Ritual das Leben eines gläubigen Mohammedaners.    20. März 1934 - NACHFORSCHUNGEN ÜBER DIE ERSTEN FRANZOSEN AM ROTEN MEER UND IN ÄTHIOPIEN (Der Verfasser, als Staatsbeamter von 1906 bis 1925 an der französischen Somaliküste, ist anonym geblieben.) Aus: Arthur Rimbaud, Briefe Dokumente. Hg. Curd Ochwadt. Reinbek b. Hamburg 1964 (Rowohlt Klassiker 155/156)

Mohammedaner (2)  Die hiesigen Mohammedaner sind ein verschlagenes und mordlustiges Volk. Sie sind große Trinker und saufen sich lange Räusche an; ihr Wein ist ausgezeichnet und sehr stark. Sie sind meist barhäuptig, oder sie schlingen sich eine zehn Spannen lange Binde um den Kopf. Sie gehen oft auf die Jagd, das Waidhandwerk beherrschen sie meisterhaft. Sie verstehen es, die Tierfelle so zu behandeln, daß daraus Kleider und Schuhe hergestellt werden können. Alle ihre Kleider und Schuhe sind aus Leder. Und jeder ist imstande, die Felle seiner erlegten Tiere selbst zu präparieren. - (polo)

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