ittagsschlaf    Eines Mittags schlief die Dame einen Schlaf, der war voll Angst. Es kam ihr ein Erschrecken, das sie zusammenzucken ließ. Ihr war, wie wenn der Blitz von einem Stern sie fortführte hinaus in die Himmel, da schlugen sie feurige Donnerstrahlen mit Macht. Die schossen alle auf einmal auf sie hin: Von knisternden, sengenden Funken sangen ihre langen Zöpfe. Mit Krachen gab der Donner seinen Schall, und er vergoß sich in brennenden Tränen. Da fand sie sich wieder in ihrem Leib: Etwas packte sie und riß sie an der rechten Hand fort in ein neues, verwandeltes Bild. Da ging es wunderlich zu:

Ihr war, als wäre sie die Amme eines Reptils — das sollte später wirklich mit Gewalt aus ihrem Leib brechen —, und jener Drache saugte an ihrer Brust, und daß er dann jäh fortflöge, so daß sie ihn nimmer wiedersähe: Das Herz riß er ihr aus dem Leib — so Fürchterliches mußten ihre Augen sehen. Es hat nicht leicht ein zweites Weib im Schlaf so schlimmes Leid erfahren. Bis dahin war sie so recht ritterlich gewesen — ach leider, es kehrt sich jetzt alles um, und sie wird ein Bild des Jammers werden. Verlieren wuchert, und Entbehren macht sich breit: Nahe sind die Leiden, die ihrem Herzen kommen sollen.   - Wolfram von Eschenbach, Parzival. Frankfurt am Main 1993 (zuerst ca. 1200, Übs. Peter Knecht. Die Andere Bibliothek 100)

Mittagsschlaf  (2)  Die schamlosen Dämonen, die Empusen genannt wurden, waren Kinder der Hekate. Sie hatten das Hinterteil eines Esels und trugen bronzene Sandalen. Nach anderer Lesart hatten sie einen Eselshuf und einen Bronzefuß. Sie machten sich einen Spaß daraus, Reisende zu erschrecken. Man konnte sie jedoch durch grobe Beschimpfungen verjagen. Dann stoben sie kreischend davon. Empusen verwandelten sich oft in Hündinnen, Kühe oder schöne Mädchen. In letzterer Gestalt pflegten sie bei Nacht oder in der Zeit des Mittagschlafes das Lager der Männer zu teilen und ihnen ihre Lebenskräfte auszusaugen. - (myth)

Mittagsschlaf  (3)  Niemand soll schlafen nach dem Mittagsmahl, denn davon folget großer Schaden und viele Krankheit: Podagra, Schnupfen, Hauptweh. Und wenn einer schliefe von wegen einer Ursach oder aus Gewohnheit, so soll es geschehen auf eine halbe Stund und nicht länger, mit aufgetanem Gürtel, ohne Schuhe, doch mit bedeckten Füßen, mit etwas aufgehebtem Haupt und an einem finstern Ort, denn das Licht beweget die Feuchtigkeit und verzehret die Geister, wie Avicenna sagt. - (kal)

Mittagsschlaf  (4)  «Alle diese Leute hier sind seine Freunde», protestierte Mamie und sah sich ratlos um. «Es sind Leute, die mit ihm gearbeitet haben und immer mit ihm zusammen waren.»

Reverend Short stülpte seine Lippen vor. «Darauf kommt es nicht an Sie dürfen seine arme Seele nicht mit all diesen Sündern und Ehebrechern umgeben und dann von Gott erwarten, daß er ihn an seinen Buser nimmt.»

«Was wollen Sie damit sagen», schrie Dulcy herausfordernd.

«Laß ihn in Ruhe», sagte Mamie. «Es ist alles schon schlimm genug auch ohne diese Streiterei.»

«Wenn er nicht aufhört, dauernd mit seinen schmutzigen Andeutungen auf mir herumzuhacken, lasse ich ihm von Johnny seinen Arsch blat hauen», knurrte Dulcy leise, damit angeblich nur Mamie es versteher sollte, aber laut genug, daß alle es hören konnten.

Reverend Short sah sie mit triumphierender Bösartigkeit an.

«Drohe, so viel du willst, du Jezabel. Aber du kannst vor dem Herrr nicht verbergen, daß du in deiner eigenen Teuflischkeit Joe Pullen in seinen vorzeitigen Tod getrieben hast.»

«Das ist nicht wahr», widersprach Mamie Pullen sofort. «Joes Zeit war einfach gekommen. Seit Jahren hat er bei seinem Mittagsschlaf seine Zigarre im Mund behalten, aber jetzt war es soweit, und da hat er sie zufällig verschluckt und ist daran erstickt.»   - Chester Himes, Fenstersturz in Harlem. Reinbek bei Hamburg (rororo thriller 2348, zuerst 1959)

Mittagsschlaf  (5)  Mein Vater pflegt in dieser Jahreszeit nach dem Essen zu ruhen. Er liegt allein in dem Großen Zimmer auf seinem Lager, die Fäuste neben sich, das Gesicht auf das Fenster gerichtet. Er schläft mit aufgerissenem Mund. Bevor er weggeht, sitzt er lange schweigsam bei Tisch und hält den leeren Teller vor sich in den Händen; mürrisch läßt er den Blick über die Anwesenden leuchten; er späht dunkel und drohend aus dem Kopf heraus; die Schuhe schlagen im Wechsel hart auf den Boden, während er den Teller freiläßt und ihn wuchtig zurück auf den Tisch setzt. Da aber das Tischtuch dick ist und auch das Wachstuch darunter die Wucht hemmt, wird der Ton des Schlages schlammig und platt. Dies stiftet von neuem sichtbaren Unmut in meinem Vater; er besinnt sich eines andern und steht plötzlich auf. Die Stille platzt. Im Innern auf Verderben sinnend, tritt er zum Anlauf nach hinten; hastig und ohne Ordnung schiebt und krempelt und streift er die Ärmel bis unter die Achseln hinauf und beugt sich raunend herüber; unwirsch schlingt er die Hand um die Pfeife und begibt sich zur Ruhe.   - Peter Handke, Die Hornissen. Frankfurt am Main 1977

Mittagsschlaf  (6)

- Quelle

Schlaf

 

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