Minibar  Es geschah schon nach kurzer Zeit, als wir gerade unser erstes Autobahnhotel feiern wollten und die beiden rituellen Whiskyfläschchen und die Eiswürfel aus der Minibar im Schlafzimmer holten. Ich goß ein Glas für Carol ein, bereitete mir meines, und wir setzten uns, um nach der heißen Dusche, die wir so nötig gehabt hatten, zu trinken und zu rauchen. Als ich an meinem Whisky nippte, wurde mir sofort klar, daß ich in eine alte, schon oft gestellte Falle getappt war. Erst in diesem Augenblick wurde mir bewußt, daß mein Fläschchen ohne Mühe zu öffnen gewesen war, während sich bei Carols der Widerstand jedes fest verschlossenen Schraubdeckels bemerkbar gemacht hatte. Die Farbe meines Getränks war die des Whiskys, aber auch Urin kann diese Farbe haben.

Ich ging ins Bad, spülte den Mund aus und öffnete ein Fläschchen Martini, das sich, nachdem ich es sorgfältig überprüft hatte, als bestens verschlossen erwies. Carol wollte diesem zwar unbedeutenden, aber ekelhaften Schrecken großzügig noch mehr an Bedeutung nehmen. Es sei bestimmt kein Urin gewesen, sondern irgendein Shampoo, irgendeine gelbliche Flüssigkeit, mit der man die Farbe des Whiskys vorgaukeln könnte. Das war mir jetzt schon ziemlich egal, obwohl ich sicher war, obwohl ich schon sich wiederholen sah, was die Argentinier eine ranada, oder eine viveza oder eine cachada nennen und die Mexikaner oder die Dänen oder die Italiener weiß ich wie, was aber immer dasselbe ist, in eine Bier- oder Whiskyflasche pissen, dafür sorgen, daß sie unversehrt aussieht, und dann das doppelte Vergnügen genießen, sie nicht bezahlt zu haben und sich das Gesicht oder das Gespeie des unsichtbaren, aber sicheren Opfers auszumalen, das demnächst in Fesseln gelegt und unausweichlich dazu verdammt sein wird, in diesen intelligenten Hinterhalt zu geraten. Ich bin, glaube ich, kein böser Mensch, aber ich versage mich nie einer gerechten Rache, wenn auch nur im Geist. Ich meine, daß es möglich ist, einen Wunsch zu projizieren, und daß er irgendwie in Erfüllung geht, so wie Keats in einem seiner Briefe sagt, daß es immer gut ist, Prophezeiungen zu machen, weil die es dann schon irgendwie hinkriegen, von selbst in Erfüllung zu gehen. Ich wünschte mir eingehend, der Urheber des Scherzes möge irgendwo auf der Autobahn einen Unfall haben und sein Auto möge danach so aussehen wie Juan Joseé Mosalinis Bandoneon, wenn er es zum letzten schrägen Akkord eines Tangos aufwölbt, ohne daß der Fahrer eine schwerere Verletzung davonträgt. Keine schwerere Verletzung, gewiß, aber später sollten die Ärzte bei ihm eine irreversible Hypourämie diagnostizieren oder, was auf dasselbe herauskommt, eine lanzinierende Makrozystitis, das heißt, daß er nur noch Tröpfchen für Tröpfchen pissen kann, und zwar in die kleinen Reagenzgläschen, die von den Ärzten benötigt werden, um tagtäglich die mühselig erbrachte Urindosis zu untersuchen.   - Julio Cortázar, Carol Dunlop: Die Autonauten auf der Kosmobahn. Frankfurt am Main 2014 (BS 2481, zuerst 1983)

 

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