inderheit  Sie tröstete den Sack, den Feger, die Oberschenkel, Brust, Achseln usf. usf. dieses müden Kaufmanns und entwendete, als dieser beruhigt einschlief, dessen Brieftasche, verließ das Hotel. Sie arbeitet als Hausgehilfin bei verschiedenen Dienstherren immer nur kurze Zeit, stiehlt ganze Warenlager; verschenkt einen großen Teil, verbraucht wenig für sich.

In Westberlin, Stellung als Hausgehilfin in Arzthaushalt, stiehlt große Summen Bargeld, kauft sich zwei Pelzmäntel und ein Armband, das sie für ihre Schwester bestimmt, die es aber nie erhält. Diesmal hat sie so viel Geld erbeutet, daß sie eine Rundreise durch verschiedene süddeutsche Bäder unternehmen kann.

Im Kurhaus einer Stadt in Rheinland-Pfalz begegnet sie dem Sohn des Hauses, der sie zur Frau wünscht. Sie stiehlt, was sie findet, verläßt den Ort. Das Verhältnis zu diesem Mann hat Folgen. Als sie eine Gefängnisstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verbüßt, bringt sie Zwillinge zur Welt. Sie holt, nach Verbüßung der Haft, die Kinder aus dem Heim. Jetzt hält sie es an keinem festen Ort mehr. Sie läßt die Kinder in einem Waldgasthof zurück und flieht mit 2 Oberbetten, Kopfkissen, 140 DM aus dem Koffer eines Gastes. Reist, betrügt, stiehlt, sitzt ihre Strafen ab. Einweisung in eine Heil- und Pflegeanstalt. Die Anstaltsleitung gewährt der Anstelligen Urlaub. Sie tritt eine Putzstelle an, nimmt Schmuck im Wert von 10 000 DM, Pelzmantel, zwei Fotoapparate und ein Brokatkleid mit, das ihr nach Einlieferung in die Anstalt eine Anstaltsinsassin für 15 DM abkauft und sofort zerschneidet.

»Ist denn ihr Denkvermögen gestört?« fragt Richter Rehgut. Dr. med. Brille: »Nee, nee. Auch die Einsichtsfähigkeit in die Strafbarkeit ihrer Taten nicht. Ich könnte jetzt sagen: der Angeklagten hat die mütterliche Partnerschaft gefehlt, oder: man muß von einem Mangelerlebnis sprechen. Aber das wäre alles nicht richtig.« »Was wäre denn nach Ihrer Ansicht richtig?« fragt der Richter. »Wie beurteilen Sie denn die junge Frau?« Dr. Brille: »An sich eine ganz patente und schlaue Person. Ihr fehlt nichts. Sie ist gerade an der Nahtstelle angesiedelt. Eine interessante Naturbildung.« Richter Rehgut: »Na, na! Das verwischen wir mal nicht.« Dr. Brille: »Doch. Es handelt sich um eine 1-Mann-Minderheit, die nun einmal so lebt. Wir stehen hier vor einem eigenartigen Naturphänomen. Sie lebt von der Eigentumsverletzung, so wie andere von der Eigentumsbildung.« Richter Rehgut: »Das kann ich nicht glauben. Das wäre ja gegen jede Rechtsordnung.«  - (klu)

Minderheit (2)  Die Evolution probierte alles bis an die Grenzen des Möglichen aus. Jeder Grundbauplan wurde mit einer großen Zahl möglicher Variationen experimentell durchgespielt. Das Muster der vielen Gruppen mit wenigen Mitgliedern (Arten) wurde etabliert. Einige dieser Experimente funktionierten gut, doch unvermeidlich scheiterten die meisten. Es kam zu einer allmählichen Aussonderung.

Viele dieser Fehlschläge waren schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt und erreichten nie eine hohe Diversität. Sie sind es, die uns taxonomische Schwierigkeiten bereiten - hoch differenzierte Baupläne mit nur wenigen Arten. Wir bezeichnen sie als Problematica und gestehen ihnen nur ungern ein eigenes Phylum zu (obwohl wir ihnen eigene Namen geben und sie mit mehr Gleichmut akzeptieren würden, wenn wir das Prinzip verstünden, das sie repräsentieren).  - Stephen Jay Gould, Das Lächeln des Flamingos. Basel, Boston, Berlin 1989

 

Zählen

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme