eute  Die Hundeknechte stießen die Zwinger auf, in denen heulend schon die Meuten lärmten — die schlanken Hetzer und die schweren Beißer, mit hellem und dunkelem Geläut. Hechelnd und knurrend schossen sie hervor, den Hof erfüllend, an ihrer Spitze der schwere Leithund Leontodon. Er sprang an Belovar empor und setzte ihm winselnd die Pranken auf die Schultern, obwohl der Alte ein Riese war. Die Knechte ließen sie reichlich trinken und gossen ihnen aus einer Metzelschüssel zum Lecken Blut auf den Estrich aus.

Die beiden Meuten waren des Alten Stolz, und sicher war es zum guten Teile ihnen zu verdanken, daß das Gelichter aus den Tannichtdörfern in diesen Jahren seinen Grund in weitem Bogen mied. Für seine leichte hatte er den schnellen Steppenwindhund fortgezüchtet, mit dem der freie Araber sein Lager teilt und dessen Junge sein Weib an ihren Brüsten säugt. An diesen Windspielkörpern war jeder Muskelzug so sichtbar, als hätte ein Zergliederer sie abgewirkt, und die Bewegung war in ihnen so übermächtig, daß sie noch in den Träumen ein stetes Zittern überlief. Es gab von allen Läufern dieser Erde nur den Geparden, der sie überflügeln konnte, und auch dieser nur auf der kurzen Bahn. Sie jagten die Beute zu Paaren, indem sie die Bogen schnitten, und machten sie an den Schultern fest. Doch gab es auch Solofänger, die ihr Opfer am Halse niederrissen und hielten, bis der Jäger kam.

In seiner schweren Meute zog der Alte die Molosser Dogge, ein herrliches, lichtgelb und schwarz gestromtes Tier. Die Unerschrockenheit, die dieser Rasse eignet, wurde durch eingekreuztes Blut der Tibetdogge noch erhöht, die man in römischen Arenen gegen Auerochsen und Löwen kämpfen ließ. Der Einschlag zeigte sich durch die Größe, die stolze Haltung und die Rute, die nach Standartenart getragen wurde, an. Fast alle diese Beißer trugen schwere Risse in den Decken — Denkzettel von Brantenhieben auf der Bärenhatz. Der Großbär, wenn er auf die Weiden von Holze ging, mußte sich eng am Waldrand halten, denn wenn die Hetzer ihn erreichten und stellten, fleischten die Packer ihn zu Tode, noch ehe der Jäger Zeit, ihn aufzuschärfen, fand.  - Ernst Jünger, Auf den Marmorklippen. In: E.J., Erzählungen. Stuttgart 1975 (zuerst 1939)

Meute (2) Der Glaube an unveräußerliche Menschenrechte ist ganz jungen Datums. Ihre Verbreitung ist beschränkt, ihre Geltung keinesfalls gesichert. Die moderne Doktrin überdeckt jedoch die Tatsache, daß Jagd, Tortur und Todesstrafe keine Verfallsformen des Rechts sind, sondern deren historisches Kernstück. Von alters her gehört das Einfangen, Demütigen, Verletzen und Töten von Menschen zu den zentralen Praktiken des institutionalisierten Kampfes gegen das Böse.

Bis heute steht die Meute im Dienst der Exekutivgewalt. Sie steckt die Täter in Uniformen, rüstet sie aus und läßt sie los, wenn es soweit ist. Die Leidenschaften der Gewalt werden durch Regeln zeitweise gebändigt, etatisiert und in ein legales Instrument umgewandelt. Sobald aber die Gesellschaft darangeht, die Gesetze der Gemeinschaft durchzusetzen, schickt sie die Häscher hinaus, um dem Henker die Außenseiter zuzutreiben. Das Zentralorgan der sozialen Kultur ist kein Hort des Friedens; es ist eine Stätte der Gewalt. - Nach: Wolfgang Sofsky, Traktat über die Gewalt. Frankfurt am Main 1996

Meute (3) »Rote Jäger alle - ausgewachsene Hunde ihres Packs, schwer und stark, wenn sie auch im Dekkan Eidechsen fressen.«

Die Meldungen Won-tollas besagten, daß die Dholen, die roten Jagdhunde des Dekkans, sich zum Töten aufgemacht hatten; und wohl wußten die Wölfe, daß selbst der Tiger seine frische Beute den Dholen überläßt. Quer durch die Dschungel brechen sie, schlagen nieder, reißen alles in Stücke, was ihnen in den Weg kommt. Wohl sind sie nicht halb so groß und so schlau wie der Wolf, aber sehr stark und zahlreich. Erst beim vollen Hundert bilden die Dholen ein Pack, während vierzig Wölfe schon ein starkes Rudel ausmachen. Auf seinen Wanderungen war Mowgli hin und wieder an den grasreichen Rand des Dekkan gelangt und hatte dort die furchtlosen Dholen gesehen, wie sie schliefen, spielten und sich kraulten vor den kleinen Schlupflöchern hinter Büschen und Gesträuch, die ihnen zum Lager dienen. Er verachtete und haßte sie, weil ihr Geruch nicht dem des freien Volkes glich, weil sie nicht in Höhlen lebten, und vor allem, weil ihnen zwischen den Zehen Haare wucherten, während er und seine Freunde klarfüßig waren. Von Hathi aber wußte er, wie furchtbar ein Jagdpack von Dholen sein kann; selbst Hathi weicht ihren Reihen aus, und bis sie nicht vertilgt sind oder das Wild knapp wird, streben sie unaufhaltsam weiter.  - Rudyard Kipling, Das neue Dschungelbuch, nach (ki)

Meute (4) Je weiter der Kommissar ging, desto mehr umfing ihn eine Zone des Schweigens. Es war das zweideutige Schweigen einer lüsternen Menge, die gebannt auf ein Schauspiel starrt und vor Furcht und Ungeduld zittert.

Er hörte vereinzelte Stimmen junger Männer, die gern angeben wollten.

Als er um eine Ecke bog, sah er die ganze Szenerie vor sich: In der rechten Gasse lagen in allen Fenstern Leute. Petroleumlampen brannten in den Zimmern, die Betten waren nur flüchtig gemacht. Eine Menschengruppe versperrte den Weg, und jenseits dieser Gruppe war eine große freie Stelle, von der ein Röcheln kam.

Maigret trieb die Gaffer und die jungen Leute, die über sein Erscheinen sehr erstaunt waren, auseinander. Zwei von ihnen warfen immer noch Steine nach dem Hund. Ihre Kameraden wollten sie davon abhalten, und der Kommissar konnte hören oder mehr erraten, wie jemand sagte:

»Vorsicht!«

Einer errötete bis über die Ohren, als Maigret ihn nach links schob und auf das verletzte Tier zuging. Das Schweigen war jetzt eher verlegen. Ganz offensichtlich hatte kurz vorher ein krankhafter Rausch die Zuschauer ergriffen, bis auf eine alte Frau, die aus ihrem Fenster schrie:

»Es ist eine Schande. Sie müssen ein Protokoll aufnehmen, Herr Kommissar! Sie haben sich alle blutgierig auf das arme Tier gestürzt. Und ich weiß genau, warum ... weil sie Angst haben.«

Der Schuster, der den Schuß abgegeben hatte, ging beschämt in seine Werkstatt zurück. Maigret beugte sich herunter und streichelte den Kopf des Hundes, der ihn überrascht anblickte und nicht zu wissen schien, was überhaupt geschah. Inspektor Leroy kam aus dem Café, von wo er telefoniert hatte. Die Leute entfernten sich nur ungern.

»Wo kann man einen Handkarren bekommen?«

Die Fenster schlossen sich, eines nach dem anderen, aber man sah die Schatten der Neugierigen hinter den Vorhängen. Der Hund war schmutzig, sein Fell war feucht von Blut, sein Leib mit Kot besudelt, seine Nase trocken und heiß.

Als Maigret ihn streichelte, wurde er zutraulicher und versuchte nicht mehr, von den vielen dicken Steinen, die rings um ihn auf der Erde lagen, fortzukriechen. - Georges Simenon, Der gelbe Hund. München 1972 (Heyne Simenon-Kriminalromane 27, zuerst 1931)

Meute (5)  Vor Sherburns Staketenzaun stauten sie sich, so dicht zusammengekeilt, wie sie nur stehen konnten, und man konnte vor lauter Lärm sein eignes Wort nicht verstehn. Es war ein kleiner Vorgarten von vielleicht zwanzig Fuß Breite. Ein paar riefen: »Nieder mit dem Zaun! Nieder mit dem Zaun!« Dann gab's ein Bersten und Splittern und Krachen, und der Zaun war umgelegt; und die Mauer von Menschen rollte hinein wie eine Welle.

Gerade da erschien Sherburn auf dem Dach seiner kleinen Vorhalle, eine doppelläufige Flinte in der Hand, und blieb vollkommen ruhig und gleichmütig stehn, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Der Lärm hörte auch auf, und die Welle wogte zurück.

Sherburn sagte kein Wort — stand bloß da und sah hinunter.

Die Stille war unheimlich und beklemmend. Sherburn ließ seinen Blick langsam über die Menge gleiten, und wen er auch traf, alle versuchten erst, seinem Blick Trotz zu bieten, aber es gelang ihnen nicht; sie senkten die Augen und sahen betreten aus. Auf einmal lachte Sherbum kurz auf; aber es war kein gutes Lachen, eher so, daß es einem zumute war, wie wenn man auf Brot beißt, das mit Sand vermengt ist.

Dann sagte er langsam und verächtlich: »Und ihr also wollt einen lynchen! Es ist lächerlich. Dir also bildet euch ein, ihr hättet den Mut, einen Mann zu lynchen! Weil ihr den Schneid habt, arme, schutzlose, ausgestoßne Weiber, die hier durchkommen, zu teeren und zu federn, meint ihr wohl, ihr habt auch das Zeug dazu, Hand an einen Mann zu legen? Nun, ein Mann ist mitten unter zehntausend von eurer Sorte sicher - solange es Tag ist und ihr ihm nicht im Rücken seid.

Ob ich euch kenne? Ich kenn' euch durch und durch. Ich bin im Süden geboren und aufgewachsen, und ich habe im Norden gelebt; so hab' ich den Durchschnitt überall kennengelernt. Der Durchschnittsmensch ist ein Feigling. Im Norden läßt er sich von jedem, der Lust hat, überrennen und bittet um einen demütigen Geist, es zu tragen, hn Süden hat ein einziger Mann ganz allein am hellichten Tag einen Postwagen voll Menschen angehalten und die ganze Gesellschaft ausgeraubt. Eure Zeitungen nennen euch so oft ein tapferes Volk, daß ihr wahrhaftig glaubt, ihr seid tapferer als jedes andre - dabei seid ihr man gerade genauso tapfer, nicht mehr. Warum hängen eure Gerichte denn nicht die Mörder? Weil sie Angst haben, die Freunde des Gehängten könnten ihnen im Dunkeln eins in den Rücken knallen - und genau das würde auch geschehen. So sprechen sie den Burschen frei; und dann geht ein Mann nachts hin, mit hundert maskierten Memmen hinter sich, und lyncht den Schurken. Euer Fehler ist, daß ihr keinen Mann mitgebracht habt; das ist der eine Fehler, und der andre ist, daß ihr nicht im Dunkeln gekommen seid und euch Masken vorgebunden habt. Dir habt bloß einen halben Mann bei euch - den Buck Harkness da unten —, und wenn ihr den nicht hättet, euch anzuspornen, dann hättet ihr euer Mütchen überhaupt bloß in Flüchen gekühlt.

Dir wolltet ja gar nicht herkommen. Der Durchschnittsmensch verabscheut Mühe und Gefahr. Aber wenn bloß eine halbe Portion von einem Mann - wie Bück Harkness da -  ›Lyncht ihn, lyncht ihn!‹ schreit, da habt ihr Angst zu kneifen, habt Angst, daß man erkennt, was ihr wirklich seid - Memmen -, und so erhebt ihr ein Kriegsgeschrei, hängt euch an die Rockschöße dieses halben Mannes und kommt hier heraufgestürmt und schwört, wunder was für große Taten zu tun. Die erbärmlichste Sache von der Welt ist so ein Pöbelhaufen; und eine Armee ist auch nichts weiter- Pöbel; sie kämpft nicht mit einem Mut, der aus ihr selber kommt, sondern mit Mut, der von der bloßen Masse geborgt ist und von ihren Offizieren. Aber ein Pöbelhaufen ohne einen Mann an der Spitze ist mehr als erbärmlich. Euch kann ich nur raten, die Schwänze einzukneifen und nach Haus zu gehn und euch in ein Mauseloch zu verkriechen. Wenn hier wirklich gelyncht wird, dann passiert das nachts, nach südlicher Mode; und wenn sie kommen, haben sie Masken vor und bringen einen Mann mit. Jetzt schert euch weg - und nehmt eure halbe Portion Mann mit« - und damit brachte er sein Gewehr in Anschlag und spannte den Hahn.

Die Menge flutete augenblicklich zurück, dann brach sie ganz auseinander und stob nach allen Seiten davon; und Buck Harkness, der zog hinterher und sah ziemlich belämmert aus. Ich hätte ja dableiben können, wenn ich gewollt hätte, aber ich hatte keine Lust.  - Mark Twain, Huckleberry Finn. Frankfurt am Main 1975 (zuerst 1884)

Meute (6)  

- N.N.

Meute (7)  

Meute (8)  Für die Meute ist charakteristisch, daß sie nicht wachsen kann. Weit und breit, in der Leere ringsum, sind keine Menschen, die zu ihr stoßen könnten. Die Meute besteht aus einer Gruppe erregter Menschen, die sich nichts heftiger wünschen,. als mehr zu sein. Was immer sie gemeinsam unternehmen, ob sie auf Jagd oder Krieg ausgehen, es wäre für sie besser, sie wären mehr. Für die Gruppe, die aus so wenig Angehörigen besteht, wäre jeder einzelne, der dazustößt, ein deutlicher und gewichtiger, ein unentbehrlicher Zuwachs. Die Kraft, die er mitbrächte, würde ein Zehntel oder Zwanzigstel der Gesamtkraft ausmachen. Die Stelle, die er einnähme, wäre von allen genau beachtet. Er würde im Gesamthaushalt der Gruppe wirklich zählen, so wie kaum einer von uns heute zählen kann.

In der Meute, die sich aus der Gruppe von Zeit zu Zeit bildet und ihr Einheitsgefühl am stärksten zum Ausdruck bringt, kann sich der einzelne nie so vollkommen verlieren wie ein moderner Mensch heute in jeder beliebigen Masse. Immer wieder, in den wechselnden Konstellationen der Meute, in ihren Tänzen und auf ihren Zügen, wird er an ihrem Rande stehen. Er wird darin sein und gleich wieder am Rande, am Rande und gleich wieder darin. Wenn die Meute einen Ring um ihr Feuer bildet, mag jeder zur Rechten und Linken Nachbarn haben, aber der Rücken ist frei; der Rücken ist nackt der Wildnis ausgeliefert. Die Dichte innerhalb der Meute hat immer etwas Vorgetäuschtes: sie drücken sich vielleicht eng zusammen und spielen in überlieferten, rhythmischen Bewegungen das Vielesein. Aber sie sind es nicht, sie sind wenige; was ihnen an wirklicher Dichte abgeht, ersetzen sie durch Intensität.  - (cane)

Hund Gruppe Jagd Geselligkeit
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