eßwein
Der Schrank, in dem die Flasche Marsala für den Meßwein aufbewahrt
wurde, hatte genauso ausgesehen wie der hier. Der vaterlose Vittorio hatte mit
ihnen gewettet, daß er sich trauen würde, heimlich einen Schluck davon zu probieren.
Dafür kommst du in die Hölle.
Komm ich nicht. Zum Blut Christi wird der Wein ja erst bei der Wandlung.
Aber auf dem Etikett steht doch, daß er eigens für die Heilige Messe bestimmt ist.
Und wenn schon?
Du kommst in die Hölle!
Hatte er wirklich aus der Flasche getrunken oder nur so getan, als ob? Sie
waren alle vor ihm zurückgewichen und hatten sich abgewandt. Vittorio hatte
an diesem Morgen nicht mit ihnen gefrühstückt. Die Erinnerung daran schmerzte
den Maresciallo, war der Junge doch immer halb verhungert gewesen. Die anderen
erzählten, er sei heulend nach Hause gerannt, und einer behauptete sogar, er
habe sich übergeben, grünen Schleim habe er
erbrochen, was beweise, daß er vom Teufel besessen sei. Woher wußten sie das?
Sie hatten doch alle beisammengesessen und ihre warmen Paninos verdrückt, wie
hätten sie das also beobachten können? Am Montag fehlte Vittorio in der Schule,
aber er war nicht krank, denn auf dem Heimweg hatten sie ihn in einem Weinberg
gesehen, wo er die Trauben büschelweise von den Rebstöcken riß und gegen sein
emporgerecktes Gesicht preßte, gierig beißend und schlürfend, und kaum, daß
er die Schalen ausgespuckt hatte, griff er schon nach der nächsten Traube, während
ihm der purpurne Saft über Kinn und Arme tropfte. - Magdalen Nabb, Nachtblüten. Zürich 2002
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