esserheld   Eine gefährlich klingende, knarrende Stimme verkündete laut über das keuchende Gelächter: «Ich hätt direkt Lust, 'nem weißen Mutterschänder den Hals abzuschneiden

Das Gelächter brach ab. Plötzlich wurde es still im Raum.

Der Mann, der gesprochen hatte, war ein dürrer kleiner Bantamgewichtler mit ausgemergeltem Hühnerhals. Die Tage seiner Schlägereien lagen bereits zwanzig Jahre zurück. Graue Bartstoppeln sproßten auf seiner rauhen schwarzen Haut. Er trug einen zerbeulten, steifen schwarzen Hut, der schon Alterspatina angesetzt hatte, eine abgewetzte, karierte Jacke über einem Overall aus blauer Baumwolle.

Seine wütenden kleinen Augen waren rot wie glühende Kohlen. Mit steifen Beinen stelzte er auf den großen weißen Mann zu, hielt dabei ein offenes Messer mit feststellbarer Klinge in der rechten Hand, die er fest gegen sein blaugekleidetes Bein preßte.

Der große Weiße wandte sich ihm zu und sah aus, als wüßte °r nicht, ob er lachen oder sich ärgern sollte. Unauffällig streckte er die Hand nach dem schweren Glasaschenbecher auf der Bar aus. «Nun mal langsam, Kleiner, dann wird niemand zu Schaden kommen.»

Der kleine Messerheld blieb dicht vor ihm stehen. «Find ich in unserer Gegend 'nen weißen Mutterschänder, der hinter meinen kleinen Mädchen her is, dann schneid ich dem den Hals ab», verkündete er.

«Was denken Sie denn», widersprach der Weiße. «Ich bin Geschäftsmann. Ich verkaufe das gute King-Cola, das ihr Leute hier so gern trinkt. Ich bin nur hier, um meine Kunden zu besuchen.»

Big Smiley trat näher und stützte seine schinkengroßen Fäuste auf die Bar. «Paß mal auf, du abgebrochener Riese», sagte er zu dem kleinen Messerhelden. «Bild dir nicht ein, daß du meine Gäste einschüchtern kannst, nur weil du größer bist als sie.»

«Er will ja keinem was Böses», sagte der große Weiße. «Er will ja nur eine King-Cola zur Besänftigung. Geben Sie ihm eine Flasche King-Cola.»

Der kleine Messerheld schlug mit seinem Messer nach der Kehle des Weißen und durchtrennte die rote Krawatte mit einem sauberen Schnitt unmittelbar unter dem Knoten.

Der große Weiße fuhr erschrocken zurück. Sein Ellbogen stieß gegen die Kante der Barplatte, und der Aschenbecher, den er gepackt hatte, flog in ein Fach mit kunstvoll geschliffenen Weingläsern hinter der Bar.

Das Klirren der zersplitternden Gläser veranlaßte ihn wieder zurückzuspringen. Die zweite Reflexhandlung erfolgte so schnell auf die erste, daß er dem zweiten Schlag des Messers entging, ohne ihn auch nur wahrzunehmen. Der Knoten seiner Krawatte, der ihm geblieben war, wurde in der Mitte aufgeschlitzt und blühte wie eine blutige Wunde vor seinem weißen Kragen auf.

«...Halsabschneider!» gellte eine aufgeregte Stimme, als ob sie einem erfolgreichen Torschützen zujubelte.

BigSmiley beugte sich über dieBartheke und packte den Messerhelden

mit den rotunterlaufenen Augen an den Jackenaufschlägen und hob ihn vom Boden hoch.

«Gib mir mal das Messer da, Kleiner, ehe ich dich zwinge, es zu fressen», sagte er gelassen lächelnd, als ob das Ganze ein Witz wäre.

Der Messerheld wand sich unter Big Smileys Griff und schlug ihm mit dem Messer auf den Arm. Der weiße Stoff von Big Smileys Jacke platzte auf wie ein berstender Ballon, und aus dem Fleisch unter seiner schwarzen Haut ergoß sich der rote Strom.

Blut spritzte.

Big Smiley blickte auf seinen verletzten Arm. Er hielt den kleinen Messerhelden am Kragen seiner Jacke noch immer frei in der Luft. Seine Augen hatten einen überraschten Ausdruck. Seine Nüstern blähten sich. «Du hast mich geschnitten? Das kann doch wohl nicht wahr sein», sagte er. Seine Stimme klang ungläubig.

«Und ich schneid dich gleich noch mal», keuchte der kleine Messerheld und wand sich in seinem Griff.

Big Smiley ließ ihn los, als ob er glühendheiß geworden wäre.

Der kleine Mann landete auf den Füßen und schlug mit dem Messer nach Big Smileys Gesicht.

Big Smiley fuhr rechtzeitig zurück und griff mit der rechten Hand unter die Theke. Er zog eine Feuerwehraxt mit kurzem Stiel heraus. Der Stiel war rot lackiert, die gebogene Klinge rasiermesserscharf.

Der kleine Messerheld machte einen Luftsprung und hieb wieder nach Big Smiley. Er nahm es mit seinem Messer gegen Big Smileys Axt auf.

Big Smiley parierte mit einem rechten Schwinger der rotstieligen Axt. Die Klinge der Axt traf den Arm des Messerhelden mitten im Schlag und trennte ihn unmittelbar unter dem Ellbogen ab, als ob er guillotiniert worden wäre.

Der abgetrennte Arm samt Jackenärmel segelte durch die Luft, besprengte die nächststehenden Zuschauer mit Blutstropfen, landete auf dem mit Linoleum ausgelegten Boden und glitt in einer der Nischen unter den Tisch, ohne daß die Hand daran das Messer losgelassen hätte.

Der kleine Messerheld landete auf den Füßen, vollführte mit seinem halben Arm immer noch schlagende Bewegungen. Er war zu betrunken, um voll zu erfassen, was geschehen war. Er sah, daß die untere Hälfte seines Arms fehlte; er sah, wie Big Smiley die Axt mit dem roten Stiel schwang. Er dachte, Big Smiley würde noch einmal zuschlagen.

«Wart nur, verfluchter Mutterschänder, bis ich meinen Arm finde», schrie er gellend. «Er hat noch mein Messer in der Hand.»  - Chester Himes, Heiße Nacht für kühle Killer. Reinbek bei Hamburg 1969  (zuerst 1859)

 

Held Messer

 

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