Meeresgrund   Die Nacht ist um so finsterer, als nur die größeren und blutvolleren Sterne darin pulsieren und ein abnehmender, ein tragischer, krummer, glutroter, verhängnisvoller Mond gleich einem bei einer plötzlichen Flaute zusammengesackten Segel darin hängt. Unschlüssig, ob er dem drohenden Tag, der kaum wahrnehmbar am Horizont herankommt, einen Schrecken zubilligen soll, verharrt er in seiner Schwebe und sieht ihn wie ein komischer Hund schief an. Jenem, der dem Weg der Nacht folgte, schien es noch einmal so, als befände er sich auf einem Meeresgrund, und die unendliche Fläche des Himmels ganz hoch oben über seinem Kopf sei die Meeresoberfläche: er empfand die Unermeßlichkeit der Leere unter dem Himmelsgewölbe, als sei dieses von Wasser erfüllt und mache sie fühlbar (der Mond eine rosa Qualle knapp unter dem Wasserspiegel, die Sterne Meersterne mit ihrem schwachen Pulsieren im Gleiten). Schwindelerregendes Entsetzen. Doch ein unbegreifliches Aufklaren, schier plötzliches Aufbrechen jener fernen Helle führte ihn ins Bewußtsein zurück.  - Tommaso Landolfi, Der Tod des Königs von Frankreich. Nach (land)

Meeresgrund (2)  Noch meilenweit vernimmt man sein Brausen, und die Strudel oder Trichterschlünde sind von solchem Ausmaß und von solcher Tiefe, daß sie ein Schiff, welches in den Bereich ihres Sogs gerät, unweigerlich verschlucken und auf den Grund hinunterreißen, um es dort auf den Felsen in Stücke zu zerschlagen; und wenn dann das Toben der Wasser nachläßt, werden die Trümmer wieder emporgeschleudert. Doch diese Ruhepausen treten nur beim Wechsel von Ebbe und Flut ein und bei stillem Wetter, und grad eine Viertelstunde dauern sie, dann setzt das Wüten schrittweis' wieder ein. Wenn der Strom am wildesten tobt und sein Rasen noch von einem Sturm verstärkt wird, ist es gefährlich, ihm auch nur auf eine norwegische Meile nahe zu kommen. Boote, Jachten und Seeschiffe sind von ihm mitgerissen worden, wenn sie sich nicht vorsahen, noch ehe sie in seine Reichweite gerieten. Häufig auch geschieht es, daß Walfische sich der Strömung zu weit nähern und von ihrer Gewalt überwältigt werden; und unbeschreiblich dann ist das Heulen und Brüllen und Blöken, welches sie bei ihren fruchtlosen Anstrengungen, sich freizumachen, von sich geben. Einmal ward ein Bär, der von Lofoten nach Moskoe zu schwimmen versuchte, vom Strome gepackt und niedergezogen; er brüllte so entsetzlich, daß man es noch an der Küste hörte.

Große Stämme von Föhren und Fichten schossen, nachdem sie der Strudelstrom verschlungen, wieder empor und waren dermaßen zerschlagen und zerrissen, daß es aussah, als wüchsen Borsten auf ihnen. Dies zeigt mit Deutlichkeit, daß der Grund aus gezacktem Fels besteht, auf welchem sie her und hin gewirbelt werden.  - Jonas Ramus, in: E. A. Poe, Ein Sturz in den Malstrom, nach (poe)

 

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