Medium, unzuverlässiges
 

Ältere Lehrbücher der Akustik
raten uns zu seltsamen Experimenten:

Man begebe sich in einen absolut symmetrischen Hof
von Mauern an allen Seiten begrenzt
die rechtwinklig zueinander stehn
suche sodann eine der Ecken auf
und löse einen Pistolenschuß.

Es gibt einen Punkt wo der Schall unhörbar ist.

Du hast den akustischen Knoten erreicht:
Das Auge nimmt ihn nicht wahr.

Man gruppiere drei Personen
in einem gewissen Winkelverhältnis
um die vollkommen blanke Oberfläche eines Sees
und lasse sie in einem bestimmten Takt
einander zurufen: »Hier«.

Nicht lange, und es ruft »Hier Hier Hier«
von allen Seiten, ununterbrochen
und der eine kann von den Stimmen der andern
die eigne nicht mehr unterscheiden.

Was für ein anmutiger Wechselgesang!

Und eine kleine elektrische Uhr
unter eine Glasglocke gestellt
(eine Saugpumpe entfernt die Luft}
ist am Ende tatsächlich nicht mehr zu hören.

Derart bestätigt sich der Verdacht
daß das tragende Medium nicht verläßlich ist,
daß es, seltsamerweise, auf eigene Faust handeln kann.

Auf eigene Faust, auf eigene Faust.

Die Zeit die noch bleibt ist immer sehr kurz.
Nur wer sehr einsam ist bringt Schälle hervor.
Der Winter ist sehr kalt. Alle Boote liegen fest im Eis.

Und bei klarem Wetter Schlittschuhe, rote Schlitten
mit einem Geräusch wie von kleinen Uhren,
unter der »hermetischen Glasglocke«.

Still, es spricht jemand, bist du's oder bin ich es ?

Echo, anmutige Nymphe mit der verstümmelten Stimme!

- Lars Gustafsson: Diskussionen, nach: Hans Magnus Enzensberger, Die Elixiere der Wissenschaft. Frankfurt am Main 2002

Medium Unzuverlaessigkeit

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