ax
Jacob Eine Gestalt, die mich interessiert, obwohl ich ihn kaum und
nur vom Sehen kenne. Heute früh gefiel er mir ganz besonders wegen seines Aufzuges:
zunächst einmal trug er sehr abgetragene, unförmige und ausgetretene Halbschuhe.
Gewöhnlich zieht man zu Halbschuhen möglichst feingewirkte Socken an. Er hingegen
trug Wollsocken, obendrein noch bunte. Dazu eine kurze, beigefarbene oder graue,
ebenfalls unförmige karierte Hose, ohne rechte Farbe und ziemlich verschossen,
ein winziges Jackett, das ihm über der Taille zu eng war und seinen Hintern
hervortreten ließ, schließlich einen matten, stark verstaubten Zylinder. Beim
Verlassen der Kirche, als es zu regnen anfing, hüllte er seine Schultern in
einen sehr gewöhnlichen kleinen schwarzen Gummiumhang, ähnlich den Wachstuchumhängen,
wie bestimmte Lieferanten mit ihren kleinen Wagen sie haben. Er wirkte auf mich
sofort wie ein Droschkenkutscher vom alten Schlage, nicht direkt wie eine Figur
von Gavarni, aber wie eine Gestalt aus den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Dabei hat er ein interessantes Gesicht, ein äußerst liebenswürdiges Lächeln,
einen geistvollen Mund und sehr schöne Augen, aus denen Bosheit und Güte zugleich
spricht. - (
leau
)
Max
Jacob * 1876 Quimper + 1944 Drancy - Jacob, der jüdischer Herkunft
war, studierte an der École Coloniale, verließ die Schule aber schon 1894 und
wandte sich zuerst der Malerei, dann der Dichtung zu. Er hat in großer Armut
gelebt. Für seine Bilder fand er keine Käufer; er mußte sich als Chiromant und
Klavierlehrer, Astrolog und Warenhausverkäufer, Journalist und Kartenleger durchschlagen.
1915 bekehrte er sich zum Katholizismus. 1944 wurde er von den Nazis in der
Kirche von Saint-Benoît-sur-Loire, wo er Pförtner war, verhaftet und in ein
Konzentrationslager gebracht. Dort ist er wenige Tage nach seiner Einlieferung
verstorben. - (
mus
)