atschgesicht Was macht sich die Physiognomik an diesem lebe=leeren Nicht-Gesicht, mit seiner Nicht=Nase, zu schaffen? Will sie die alte Unwahrheit wieder=käuen, Menschenkenntnis befördere nicht durchaus die Menschenliebe? Soll der dreimal=grosze, immerfort=witzige Professor Lichtenberg widerlegt werden, der das menschliche Gesicht für eine "unterhaltendste Fläche" meinte declariren zu können? [NB: Ein Gesicht ist eine Landschaft!, keine blosse zwo=dimensionirte Fläche, Herr Physik=Professor!] Wozu hat dieser (ein solcher) Mann (denn um einen solchen handelt es sich hier) sich lassen photo-portraitiren?
Handelt es sich um
- einen Jean Paul, dem das "Stöffchen", wie es in Francfurt genannt wird, entzogen wurde? Aber Jean Paul lebte in der Rollwenzelei! Und der Mund, der Mund ... er hat so gar nichts Sinnliches!
- einen starken Esser, dem gerade ein Vollheits=Laut entkommen ist, was ihm peinlich ist (das Stöffchen spricht, - also doch!)
Recognoscieren wir! Eine einstmahlen feistere, sehr dem Essen zugeneigte ovale Form, von einem schütteren Barte gerahmt, der das Kinn (partie honteuse) verbirgt
Kubistische Schiefigkeit: Wässrige schrägstehende Augen (aeußere Augenwinkel nach unten! Gar nicht wie bei scharmanten Asiatinnen!), Mund, Nicht-Nase (ohne Nasenlöcher), schief gezogenes Mäulchen, lippenlos - in einem Nicht-Gesicht...
Oder: unmögliche nicht-geheure Lovecraft-Geometrie? dazu das formlose, mondsüchtige unausgesprochen-unaussprechliche Matsch=Gesicht
kubistisch dasr Mäulchen und unsymmetrisch (wo doch sonst alle Natur dem Symmetrischen inclinirt)
von keinem Leben gezeichnet rötliche Gesichtsfarbe
feuchter Blick aus kleinen, wässrigen schiefen Äugelein, aus einer faltigen Augenhöhle blickend
Nicht-Kußmaul, ja sogar Anti-; das ungeküssteste Mäulchen
Ab einem gewissen Alter sei jeder verantwortlich für sein Gesicht
Mund und Augen - das unangenehmste an dieser Physiognomie, leer u zudringlich zugleich.
Doch! Da ist ein Ausdruck in dieser Physiognomie! Aller Formlosigkeit und also Nicht=Bedeutendheit dieses Matsch=Gesichts unerachtet: Man möchte beachtet werden. Hier bin ICH! Seht MICH an! Aber warum sollte man? Irgend eine geringste Ursache für diesen Anspruch ist aus dieser Physiognomie nicht ersichtlich. Es möchte sich wohl auch eine Matschbirne hinter diesm Matsch-Gesicht finden? Es mag auch sein, daß er einen Schmerzens-Mann markiren möchte. (Sollte der Träger dieser Nicht=Physiognomie ernstlich malade seyn, kann ihm also nicht einmal eine Krankheit ein Gesicht schaffen! Entweder liegt das an der Ungunst des Materials oder der Kraftlosigkeit der Natur.) Diese geschmacklose Selbstüberhebung eines Simulateurs mag der eigentliche Grund für den alsobald starck unangenehm werdenden Eindruck dieser Visage sein; woher folglich die dringende Neigung des Betrachters, derselben eine oberdeutsche "Watschn" zu verabreichen.
Daher auch
die allzu flüchtig werdende Sprache des Analysirenden. Ein zweiter
Blick hierauf steht von letzterem nicht zu erwarten.;-
Lavater
Matschgesicht (2)
- N. N.
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