athematikstudent Nach
dem Schulabschluß 1900 trat ich in die mathematische Fakultät der Moskauer
Universität ein. Die erste Hälfte des Studienjahrs widmete ich vor allem
der Oper. Schönheit in all ihren Formen hat schon immer einen großen Eindruck
auf mich gemacht. In der Oper hörte ich nicht so sehr die Musik, als daß
ich zur Musik nachdachte, und diese inneren Erlebnisse, das kann ich sagen,
gaben mir viel Glück. In der zweiten Hälfte des Studienjahres (Anfang 1901)
gab es Studentenunruhen. Ich nahm an ihnen fast keinen Anteil, bis zur
Verhaftung einer Versammlung in der Universität, dann ging ich sozusagen
aufs Ganze: ganze Tage war ich bei der Manege, ging mit den Demonstranten,
eine Nacht war ich gezwungen, in der Manege zu verbringen, man verhaftete
mich, ließ mich morgens wieder frei. In diesem Jahr kam mir auch sozialdemokratische
Literatur in die Hände, rief aber keine Sympathien bei mir hervor. Der
Schuß von Karpovic (auf den Minister für Volksaufklärung) machte auf mich
einen ungeheuren Eindruck. Im Sommer dieses Jahres verliebte ich mich in
eine verheiratete Frau — das war meine erste und wie ich hoffe auch letzte
Liebe. Ich übergehe diese Periode mit Schweigen. Ich sage nur, daß meine
Liebe rein blieb und daß ich sehr sehr viel in dieser Zeit durchmachte.
Möge Gott das niemandem geben. - Boris
Vnoroyskij, nach: Boris Savinkov,
Erinnerungen eines Terroristen. Nördlingen 1985 (Die Andere Bibliothek,
zuerst 1917/18)
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