athematikerin
Die Elemente des Euklid hatten weiter Konjunktur, selbst als Kreativität
und Qualität der alexandrinischen Gelehrsamkeit langsam verblassten (und sie
waren größtenteils verschwunden, als Julius Cäsar den Hafen von Alexandria im
Jahr 47 v. Chr. in Brand setzen ließ). Sie überlebten das Ende Alexandrias als
Ort des Lernens, das die brutale Ermordung der neoplatonischen Mathematikerin
Hypatia (370 - 415 n. Chr.) im März 415 markiert. Christliche Fanatiker,
die sich von ihrem Charisma und der Überzeugungskraft ihrer Vorlesungen bedroht
fühlten, entkleideten sie und zogen ihr bei lebendigem Leib die Haut ab, um
ihre Autorität, ihre Schönheit und ihre Gelehrsamkeit auszulöschen. Erfolg hatten
sie damit nicht. Die Ausgabe der Elemente, an der sie gemeinsam mit ihrem
Vater Theon (335 - ca. 405 n. Chr.) gearbeitet hatte, wurde nach ihrem Tod zu
einem Standardwerk.
- Donal O'Shea, Poincarés Vermutung. Frankfurt am Main 2007
Mathematikerin (2)
-
N.N.
Mathematikerin
(3)
Mascha Uptschak war litauische Jüdin. Sie war groß, stattlich, hatte einen
üppigen Busen, und auch Bauch und Hinterteil waren ziemlich umfangreich. Auf
diesem großen, massigen Körper wuchs ein langer, biegsamer, anmutiger Hals,
der einen winzigen, knochigen Kopf trug, ein Gesicht mit matten Zügen, einem
leidenden Mund und einer Denkerstirn. Mit seinem gelockten Haar erinnerte dieser
Kopf an den eines romantischen Dichters, an den von Novalis. Ihre großen, starren
Augen waren blaßblau, kaltblau, emailblau. Mascha war schrecklic kurzsichtig.
Sie war ungefähr 35 bis 38 Jahre alt, hattd in Deutschland ein gediegenes Mathematikstudium
absolviert und sogar ein Buch über das Perpetuum mobile
geschrieben. Sie war eine grausam vernünftige, kältet Person, niemals um Hinfalle
verlegen, wenn es galt, eine neue Sache aufzuziehen, ein Attentat auszuführen
oder die Fallen der Polizei aufzuspüren. Sie war es, die unsere Pläne bis ins
kleinste Detail vorbereitete. Alles war darin bedacht, jede Minute haarscharf
eingeteilt und bemessen. Jeder von uns wußte genau, was er zu tun hatte, Sekunde
für Sekunde: diesen Platz besetzen, jene Haltung einnehmen, diese oder jene
Bewegung machen, sich bücken, laufen, eins, zwei, drei mit der Bombe hochgehen,
sich eine Kugel in den Mund jagen oder abhauen. Die Ereignisse rollten nach
ihren Berechnungen ab, verketteten sich, fügten sich ineinander, wie sie es
voll Spürsinn und Realismus vorausgesagt hatte. Oft staunten wir über die Kühnheit
ihrer Einfälle und die klare und überlegte Art, in der sie sie vorbrachte. Sie
hatte etwas von einer Tragödin und einer Wahrsagerin. Mit untrüglicher Sicherheit
fand sie aus der Fülle von Informationen, die uns zugingen, das richtige, zutreffende,
sichere, menschliche Detail heraus, das man immer berücksichtigen muß, wenn
man Erfolg haben will. Im Kampf, wenn sie für ihre Sache ins Feld zog, war sie
beherzt und unerschrocken. In der Liebe aber war sie
sentimental und dumm. - (
mora
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