aterialisation »Wie auch immer, gern hätte ich jetzt ein paar Pralinen.«
Sie ist allein im Haus. Der alte Onkel spielt im »Tokio« Billard. Paula verspürt die Versuchung zum ersten Mal so stark, daß ihr leicht übel wird. Warum nicht? fragt sie sich. Warum nicht! sagt sie sich entschlossen. Es ist bereits unabwendbar, sie muß es tun. Und wie seinerzeit legt sie ihr ganzes Verlangen in die Augen, richtet den Blick auf das Tischchen neben ihrem Schaukelstuhl, projiziert ihr ganzes Ich darauf, bis sie in sich eine Leere fühlt, eine große hohle Form, die sie vorher ausgefüllt hatte: ein totaler Ausbruch, der sie aus ihrem Sein reißt, der sie darauf reduziert, bloßer Wille zu sein...
Und sie sieht, wie sich ihr Verlangen nach
und nach materialisiert. Dünne rosa Folie,
blau und rot gestreiftes, schillerndes Silberpapier; Glanz von Pfefferminzglasur,
von blanken Nüssen; dunkle Konkretion köstlicher Schokolade. All das transparent,
diaphan; die Sonne, die den Rand des Tischchens erreicht, trifft auf die
wachsende Masse, durchstrahlt sie; aber Paula konzentriert sich noch mehr
auf ihr Werk und erreicht schließlich die triumphierende Opakheit der Materie.
Die Sonne wird nun von jeder geglätteten Oberfläche zurückgeworfen, die
Worte auf den Hüllen behaupten sich kategorisch, und es bildet sich eine
schöne Pyramide aus Pralinen. Mokka. Nougat. Rum. Kümmelbranntwein. Karamel.
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Julio Cortázar, Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt
am Main 1998
Materialisation (2)
Materialisation (3) «Am letzten Abend — vielleicht haben lsabel und Julia es Ihnen erzählt? — waren die Erscheinungen ganz deutlich. Eine beginnende Materialisation. Ektoplasma — Sie wissen vermutlich, was Ektoplasma ist?»
«Ja, ich bin im Bilde.»
«Es quillt aus dem Munde des Mediums in Form eines Bandes hervor und nimmt Gestalt an. Ich bin jetzt überzeugt, Mr. Poirot, daß Miss Arundell selbst, ohne daß sie es ahnte, ein Medium war. An diesem Abend sah ich deutlich ein leuchtendes Band aus ihrem Munde hervorquellen. Und dann umzog ein leuchtender Schein ihren Kopf.»
«Sehr interessant!»
«Leider wurde ihr plötzlich übel, und wir mußten die Séance abbrechen. -
Agatha Christie, Der ballspielende Hund. Bern und München 1980
Materialisation (4) Wenn zwei Teilchen mit hoher Energie zusammenstoßen, können zwar durchaus mehrere Teilchen entstehen, doch diese neuen Teilchen waren vor dem Zusammenstoß noch gar nicht vorhanden. Sie können daher nicht als Bruchstücke der ursprünglichen Teilchen angesehen werden. Kann man dann sagen, sie seien bei dem Zusammenstoß entstanden? In gewisser Weise ja. Aber woher sind sie gekommen? Und wie lässt sich ihre plötzliche Entstehung erklären? Ganz einfach, indem man sagt, dass die Energie des Zusammenstoßes sich letztlich in diese neuen Teilchen umgewandelt hat. Und das ist tatsächlich möglich, da zwischen MASSE (m) und ENERGIE (E) nach Albert Einsteins spezieller RELATIVITÄTSTHEORIE eine Äquivalenz besteht. Die mit der Bewegung der Teilchen verbundene kinetische Energie kann sich nach sehr präzise bestimmbaren Regeln zu materiellen Teilchen »materialisieren«, die im Allgemeinen eine Masse haben. Das ist die eigentliche Bedeutung der Formel E = mc , in der c für die Geschwindigkeit des Lichts im Vakuum steht. Sie besagt, dass reine Energie sich - entgegen unserer alltäglichen Anschauung - in Masse umwandeln kann. Umgekehrt kann auch Masse sich in Energie umwandeln, insbesondere bei Kernreaktionen.
Bei einem Zusammenstoß kann also nur dann ein Teilchen entstehen, wenn genügend
Energie zur Verfügung steht, die sich teilweise zu dem neuen Teilchen materialisiert.
Je schwerer das neue Teilchen sein soll, desto größer muss die Energie sein,
mit der die ursprünglichen Teilchen zusammenstoßen. Einige der Teilchen, die
durch solche, mit hoher Energie erfolgenden Zusammenstöße entstehen, sind ganz
»gewöhnliche« Teilchen wie die PROTONEN, NEUTRONEN und ELEKTRONEN, die es ständig
und überall in der Natur gibt; andere entstehen und verschwinden schon im nächsten
Augenblick wieder. Diese flüchtigen, instabilen Teilchen wandeln sich sehr rasch
in andere Teilchen um, die sich oft ihrerseits in wiederum andere Teilchen umwandeln,
bis die Kette bei stabilen Teilchen endet. -
(thes)
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