arschieren Er hat Rast gemacht, hat uns alle um sich gesammelt wie Hühner um die Henne und hat angefangen, uns zu erklären: ‹Ihr Kerle, ihr könnts euch überhaupt nicht schätzen, daß ihr auf der Erdkugel marschiert, weil ihr so eine ungebildete Bande seid, daß es zum Kotzen is, wenn man euch anschaut, euch sollt man so auf der Sonne marschieren lassen, wo ein Mensch, was auf unserem elenden Planeten sechzig Kilo wiegt, über siebzehnhundert Kilogramm wiegt, da möchtet ihr krepieren. Da möcht sichs euch marschieren, wenn ihr im Tornister über zweihundertachtzig Kilogramm hättet, ungefähr drei Meterzentner, und das Gewehr zweieinhalb Meterzentner schwer war. Da möchtet ihr ächzen und die Zungen herausstecken wie abgehetzte Hunde.›
Da war Ihnen dort unter uns ein unglücklicher Lehrer,
der hat sich unterstanden, sich auch zum Wort zu melden: ‹Mit Verlaub, Herr
Oberlajtnant, aufn Mond wiegt ein Sechzigkilomensch nur dreizehn Kilogramm.
Am Mond möcht sichs uns besser marschieren, weil unser Tornister dort nur vier
Kilogramm wiegen möcht. Am Mond möchten wir schweben
und nicht marschieren› — ‹Das is schrecklich›, sagte drauf der selige Herr Oberlajtnant
Buchanek, ‹du hast, mir scheint, Lust auf eine Watschen,
du miserabler Kerl du, sei froh, daß ich dir nur eine gewöhnliche irdische Watschen
geb, wenn ich dir so eine vom Mond geben möcht, so möchtest du bei deiner Leichtigkeit
bis irgendwohin in die Alpen fliegen und möchtest an ihnen klebenbleiben. Wenn
ich dir die Schwere von der Sonne geben möcht, so tät sich die Montur an dir
in Brei verwandeln, und der Kopf möcht dir bis irgendwohin nach Afrika wegfliegen.›
Er hat ihm also eine gewöhnliche irdische Watschen gegeben. -
Jaroslav Hašek, Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Reinbek bei 1969
(zuerst 1920 - 1923)
Marschieren (2) Wie fast
alle Lagerinsasscn litt ich um diese Zeit schon an schweren Hungerödemen. Meine
Beine waren so geschwollen, dadurch die Haut so prall gespannt, daß ich die
Kniegelenke nicht recht beugen konnte; die Schuhe aber mußte ich offenfassen,
um mit den geschwollenen Füßen hineinzukommen. Schuhfetzen oder Socken, auch
wenn es dergleichen gegeben hätte, wären nicht mehr hineingegangen. So waren
die halbnackten Füße immer naß und in den Schuhen immer Schnee. Das hatte natürlich
alsbald Erfrierungen, aufgebrochene Frostschäden usw. zur Folge. Buchstäblich
jeder einzelne Schritt wurde zu einer kleinen Höllenqual. Außerdem bildeten
sich beim Marsch über die verschneiten Felder am defekten Schuhwerk Eisstollen.
Immer wieder stürzen die Kameraden hin und die nachfolgenden über die gestürzten.
Dann stockt der betreffende Teil der Kolonne beim Marsch, die Kolonne reißt
auseinander - aber nicht für lange. Denn sofort springt einer der begleitenden
Wachtposten herbei und haut mit dem Gewehrkolben auf die Kameraden, damit sie
nur rasch wieder »aufgehn«. - Viktor E. Frankl, nach: David B. Morris, Geschichte des Schmerzes. Frankfurt am Main 1996
M-arschieren (3)
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