arkt Ich
bin auf allen Märkten von Kalkutta herumgelaufen, dem neuen wie den alten: Bombay
Bazaar in Karatschi; auf dem von Delhi und Agra: Sadar und Kanari; Dacca,
das aus einer Aneinanderreihung von Suks besteht, wo ganze Familien in den engen
Räumen zwischen den Läden und den Werkstätten hausen; Riazuddm Bazaar und Khatunganj
in Chittagong; auf allen Märkten der Tore von Lahor:
Anarkali Bazaar Delhi, Shah, Almi, Akkari; und Sadr, Dabgan, Sirki, Bajori,
Ganj, Kalan in Peschawar. Auf den ländlichen Jahrmärkten des Khaiber-Passes
an der afghanischen Grenze sowie denen von Rangamati vor den Toren von Birma
habe ich die Obst- und Gemüsemärkte besichtigt, Türme von Auberginen und rosafarbenen
Zwiebeln, aufgeplatzte Granatäpfel mit ihrem berauschenden Guavenduft; die
Blumenmärkte, wo man künstliche Rosen und Jasminzweige mit Flitter und Engelshaar
zu Sträußen bindet; die Auslagen der Verkäufer von Trockenfrüchten, fahlrote
und braune Haufen auf Silberpapier; ich sah und roch die verschiedenen Gewürze
und Currysorten, Pyramiden aus rotem, orangefarbenem und gelbem Staub; Berge von Pfefferkörnern, die einen scharfen Geruch wie von getrockneten
Aprikosen und Lavendel ausströmen, daß einem vor Wollust fast die Sinne schwinden;
ich sah die Bratköche, die Dickmilchhersteller, die Pfannkuchenbäcker: nän oder
chapati; die Tee- und Limonadeverkäufer, die Dattelgroßhändler, deren Waren
sich zu klebrigen Haufen aus Mark und Kernen türmen und an die Auswürfe irgendeines
Dinosauriers erinnern; die Konditoren, die den Anschein erwek-ken, als würden
sie Fliegen verkaufen, die sie auf Präsentierteller aus Kuchenteig geklebt hätten;
die Kesselschmiede, die man schon hundert Meter vorher an ihrem Rasseln hört;
die Korbflechter und Seilmacher mit ihren gelben und grünen Halmen; die Hutmacher,
welche die goldenen Kegel der kallas - den Mitren der Sassaniden-Könige ähnlich
- zwischen Turbanschärpen aufreihen; die Stoffläden, in denen frisch blau oder
gelb gefärbte Tücher sowie safrangelbe und rosafarbene Schals aus Kunstseide
im Bukhara-Stil flattern; die Tischler, Schnitzer und Lackierer von Bettladen;
die Scherenschleifer, die am Seil ihres Schleifsteins ziehen; ich besichtigte
auch den abgelegenen und ungemütlichen Schrottmarkt; die Tabakhändler vor ihrem
Stapel heller Blätter, die abwechseln mit der rotbraunen Melasse des tomhak,
neben zu Bündeln geordneten Chilam-Röhren; die Verkäufer von Sandalen, die zu
Hunderten wie Flaschen in einem Weinkeller nebeneinanderstehen; die Verkäufer
von Armbändern - hangeis -, Därmen aus blau und rot getöntem Glas, die wie aus
einem aufgeschlitzten Bauch in alle Richtungen quellen; die Kramläden der Töpfer,
in denen sich die länglichen und lackierten Gefäße der chilam, Krüge aus glimmerhaltigem
Lehm und solche, deren rotbrauner Untergrund mit verschlungenen, braunen, weißen
und roten Ornamenten bemalt ist, sowie die chilam-Köpie aneinanderreihen, die
Trauben aufgefädelt sind wie Rosenkränze; die Mehlhändler, die den ganzen
Tag lang sieben; die Goldschmiede, die winzige Stuckchen kostbarer Borte abwiegen
und deren Auslagen weit weniger glänzen als die der benachbarten Klempner; die
Stoffdrucker, welche die weißen Baumwollstoffe mit einer leichten, eintönigen
Bewegung klopfen, die einen zarten Farbabdruck hinterläßt; die Schmiede unter
freiem Himmel - ein wimmelndes und geordnetes Universum, über dem gleich Bäumen,
durch deren Blätter der Wind rauscht, hohe Stangen zittern, gespickt mit den
bunten Windrädchen für die Kinder.
In den ländlichen Gegenden kann das Schauspiel ebenso faszinierend sein.
Ich reiste mit dem Motorboot auf den Flüssen von Bengalen. Mitten auf dem von
Bananenstauden und Palmen gesäumten Bulmganga, der Moscheen aus weißer Fayence
umfließt, die auf dem Wasser zu schwimmen scheinen, hatten wir an einer kleinen
Insel angelegt, um einen hat zu besichtigen, einen ländlichen Markt, auf den
uns Hunderte von festgezurrten Barken und Sampans aufmerksam gemacht hatten.
Obwohl kein Wohnhaus zu sehen war, befanden wir uns in einer richtigen Stadt,
einer Eintagsstadt, angefüllt mit einer Menschenmenge, die sich im Schlamm niedergelassen
hatte, einer Stadt mit verschiedenen Vierteln, die jeweils einem bestimmten
Gewerbe vorbehalten waren: ungeschälter Reis, Vieh, Boote, Bambusstäbe, Bretter,
Töpferwaren, Stoffe, Obst, Betelnüsse, Fischreusen. Der Verkehr auf den Flußarmen
war so dicht, daß man sie für flüssige Straßen hätte halten können. Die neu
erworbenen Kühe ließen sich leicht transportieren: eine jede stand aufrecht
in ihrem Boot und zog vorbei an einer Landschaft, die sie zu betrachten schien.
- (
str2
)
Markt (2) Ein viereckiger weiter Marktplatz.
Buden und Tische, Pferde, Gespann, Fiakerreihen. Und alles in Lehm und Unrat
von Stroh, Schutt, Abfällen versinkend. Eine Linie Tische hat im Mist ausgelegt
bunte Tuchballen. In Buden hängen Kopftücher, Wäschestücke. Dahinter schwatzen
und rufen Händler und Händlerinnen, Juden, nur Juden, mit deutschen Namen. Händler
in weichen Mützen, schmutzigen Kleidern diskutieren in Gruppen auf dem Platz,
vor den einstöckigen Häusern. Gebückte Alte in entsetzlich zerrissenen Kaftanen,
schmierig, mit lumpigen Hosen, aufgeplatzten Stiefeln suchen am Boden in dem
Unrat mit Stöcken. Einer hat einen langen gelbweißen Bart, trägt einen durchlöcherten
steifen Hut mit halbabgerissener Krempe, murmelt, spielt mit den dicken Fingern,
bettelt. Und dann bettelt, aus dem Gedränge am Platz hervortretend, eine ältere,
sehr häßliche, schielende Frau mit unordentlichen Haaren. Und dann eine jüngere,
die ihr kleines Kind in ihr Kopftuch eingewickelt vor der Brust hat. Und dann
ein barfüßiger Junge. Und dann ein Mann im Schlapphut, der einen großen Apfel
ißt, kaut und die Schale einfach vor sich aus dem Munde fallen läßt. Alle murmeln
jiddisch: «Gebt mir was», «Seid gesund». - Alfred Döblin, Reise in Polen.
München 1987 (dtv 2428, zuerst 1925)
Markt (3) Bei
freilebenden Javaneraffen in Indonesien haben Forscher
aus Singapur beobachtet, dass die Männchen für Sex bezahlen. Sie entlohnten
die Weibchen mit unterschiedlich langer Fellpflege, wie das britische Wissenschaftsmagazin
„New Scientist" berichtet. Waren weniger Weibchen
als Männchen in der Gegend,
stieg der Preis für Sex. Waren viele Weibchen zugegen, sank er. Im Schnitt paarten
sich die Weibchen demnach 1,5 Mal pro Stunde. Nach Perioden ausgiebiger Fellpflege
durch die Männchen stieg die Sexrate auf 3,5 Mal pro Stunde. Die Studie ist
laut „New Scientist" eine der ersten, die den Einfluss des Markts auf das
Paarungsverhalten in der Natur zeigt. - dpa,
Tagesspiegel vom 3. Januar 2008
Markt (4)
Markt (5) Sie
verließen das Durcheinander in Richtung der Via Mamiani oder der Via Ricasoli:
zwischen den Marktständen der Fischhändler und der Geflügelverkäufer war
ein Durchlaß, da wo sie die Tintenfische und die Kuttelfische verkaufen
und sämtliche Arten von Aalen und Makrelen, die's im Meer gibt, von den
Sardinen gar nicht zu reden, das Jüngelchen und er selber, der Blonde,
blickten auf dieses weich hellsilbrig perlmuttfarbene Fleisch der Tintenfische,
von innen her bräunlich zart geädert, schnupperten, ohne es zu wollen,
den Geruch der der Meeresalgen in ihrer feuchten Frische, jenen gewissen
Brom-Jod-gemischten Hauch von Himmel und Freiheit eines lebendigen Morgens
auf dem Hafenkai, jene Verheißung frischgebackenen Silbers auf dem Teller,
gegen den Hunger, der sich aus den Tiefen zu melden begann. Rollen von
Kutteln, wie gewellte Teppiche eine über die andere geschichtet, freundliche
Anatomien von abgehäuteten Lämmlein, rot und weiß, das Schwänzchen spitz,
aber mit einem Quästchen dran, als ob damit die Noblesse des Angebots unterstrichen
und bewiesen würde. »Für vier Lire gebe ich euch alles«, sagte der Lammfleischhändler
und hielt es halb in die Luft hinaus - das ganze Lamm, vielmehr der Länge
nach durchgeteilt; und die weißen Büschel römischen Lattichs oder Salatköpfe,
gekräuselt, über und über voller grüner Löckchen, lebende Hühner mit den
Augen, die nur nach einer Seite hin spähen und sehen können, jedes Auge
für sich ein Viertel der Umwelt, lebende Hennen, ruhig, geduckt, in ihre
Käfige gedrängt, schwarze oder belgische oder elfenbeinstrohfarbene aus
Padua, getrocknete Peperoni, gelbgrün oder grünrot, die schon beim bloßen
Anschaun auf der Zunge beißen, dir den Mund unter Speichel setzen; und
dann Nüsse aus Sorrent, Nüsse aus Vignanello, und Kastanien, bergeweis.
Leb wohl! Leb wohl! Die Frauen, die dickbusigen Hausfrauen: dunkles Schultertuch,
oder grasgrün, eine Sicherheitsnadel, die offenstand - au weh! mit der
man der Nächststehenden einen Moment in den Hintern pieksen konnte: cosi
fan tutte. Schwer bewegliche Hinterquartiere, walzten sie schwerfällig
von einem Marktstand, von einem verschossenen Segeltuchschirm zum anderen,
von den Selleriestauden zu den getrockneten Feigen: sie drehten sich, rieben
die jeweiligen Hinterteile aneinander, bahnten sich ächzend mit hochgefüllten
Einkaufstaschen einen Weg, stöhnten, schnappten nach Luft, wie fette Karpfen
in einem Fangteich, wo das Wasser langsam abfließt, zusammengedrängt, gequetscht,
in die Falle gegangen mit all ihrer Fette im Strudel des großen Jahrmarkts
der Gefräßigkeit. - Carlo Emilio Gadda, Die gräßliche Bescherung
in der Via Merulana. München 1988
Markt (6) Sie sahen
die Türhüter, Diener, Kammerherren und Hauptleute, die dort, allesamt tot, auf
seidenen Pfühlen lagen. Weiter gingen sie in die Marktstraßen der Stadt hinein
und kamen zu einem großen Marktplatze mit lauter hohen Gebäuden, von denen keines
die anderen überragte; die Läden standen offen, die Waagen hingen da, die Messinggeräte
waren aufgereiht, und die Speicher waren voll von Waren aller Art. Sie sahen
auch die Kaufleute; aber die saßen tot in ihren Läden,
ihre Haut war eingeschrumpft, und ihre Gebeine waren von Würmern zerfressen;
sie waren eine Warnung für die, so sich warnen lassen. Auch sahen sie vier getrennte
Marktplätze, deren Läden mit allerlei Gut angefüllt waren; aber sie verließen
sie und begaben sich zum Seidenmarkt, und dort fanden sie Stoffe aus Seide und
Brokat, die mit rotem Gold und weißem Silber auf vielfarbigem Grunde durchwirkt
waren; doch die Besitzer waren tot und lagen auf Matten aus rotem Ziegenleder
und sahen aus, als wollten sie sprechen. Von dort gingen sie zum Basar der Edelsteine
und Perlen und Rubinen; und weiter schritten sie zu der Straße der Geldwechsler,
und die sahen sie tot auf ihren Decken aus Seide und Halbseide liegen, und ihre
Läden waren voll von Gold und von Silber. Nachdem sie auch die hinter sich gelassen
hatten, kamen sie zum Basar der Spezereienhändler, und deren Läden waren angefüllt
mit allerlei Arten von Spezereien; da waren Moschusblasen, Ambra, Aloeholz,
Nadd', Kampfer und ähnliche Dinge. Aber die Händler waren alle tot; auch war
keinerlei Zehrung bei ihnen. Und wie sie dann aus diesem Basar herauskamen,
fanden sie sich in der Nähe eines Schlosses; das war mit allerlei Schmuck verziert
und hoch und fest gebaut. Sie traten hinein, und dort fanden sie entrollte Banner,
gezückte Schwerter und gespannte Bogen, femer Schilde, die an goldenen und silbernen
Ketten hingen, und Helme, die mit rotem Golde überzogen waren. In den Hallen
standen Bänke aus Elfenbein, mit gleißendem Golde beschlagen und mit seidenen
Decken belegt. Und auf ihnen lagen Männer, denen die Haut auf den Knochen eingeschrumpft
war und die ein Tor für schlafende Leute gehalten hätte; aber sie waren aus
Mangel an Nahrung umgekommen und hatten den Tod kosten müssen. - Die Geschichte von der Messingstadt, nach (
1001)
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