Mann, reizbarer  Johnny packte unvermittelt in einem Wutanfall die Klinke und wollte die Tür aufbrechen.

Als ob Reverend Short seine Gedanken gelesen hatte, warnte er mit dünner, trockener Stimme, die so gefährlich wie das Warnsignal einer Klapperschlange war: «Breche ja die Tür nicht auf, Johnny Perry.»

Johnny riß seine Hand zurück, als ob eine Schlange nach ihm geschlagen hätte. «Was ist mit Ihnen los, Prediger? Haben Sie da eine Frau bei sich drin?» fragte er argwöhnisch.

«Darauf bist du also aus?» antwortete Reverend Short. «Du glaubst, daß die Mörderin sich hier versteckt?»

«Jesus Christus, Mann, sind Sie komplett verrückt geworden?» entgegnete Johnny und verlor seine Selbstbeherrschung. «Machen Sie jetzt diese verfluchte Tür auf. Ich will nicht den ganzen Abend hier draußen stehen und mir Ihren dummen Quatsch anhören.»

«Laß den Revolver fallen», warnte Reverend Short.

«Ich habe keinen Revolver, Prediger. Sie sind wahnsinnig.»

Johnny hörte das Knacken irgendeiner Waffe, die gespannt wurde.

«Ich warne dich, wirf den Revolver weg», wiederholte Reverend Short.

«Gehen Sie zum Teufel», sagte Johnny angewidert und wollte sich umdrehen.

Aber ein sechster Sinn warnte ihn vor einer unmittelbaren Gefahr, und er ließ sich flach auf den Boden fallen, gerade ehe der doppelte Knall einer Schrotflinte ein Loch in der Größe eines Eßtellers durch die obere Füllung der hölzernen Tür riß,

Johnny kam vom Boden hoch, als ob er aus Gummi wäre. Er traf die Tür voller Wucht mit seiner Schulter, daß das Schloß ausbrach und die Tür mit einem lauten Krachen gegen die Wand schlug. Man hätte es für das Echo des Gewehrschusses halten können.

Reverend Short ließ das Gewehr fallen und zog aus der Seitentasche seiner Hose so schnell ein Messer, daß die Klinge offen in seiner Hand stand, noch ehe das Gewehr auf den Boden polterte.

Johnny stürzte mit vorgerecktem Kopf so schnell auf ihn zu, daß er nicht mehr anhalten konnte. Darum streckte er seine linke Hand aus und ergriff Reverend Shorts Hand mit dem Messer am Gelenk und rammte ihm seinen Kopf in den Solar Plexus. Reverend Shorts Brille flog wie ein aufflatternder Vogel von seinem Gesicht, und er stürzte rückwärts über ein ungemachtes Bett mit weißgestrichenem Eisengestell. Johnny landete auf ihm, die Muskeln entspannt wie eine Katze, die auf ihre vier Pfoten fällt, drehte im gleichen Augenblick mit der einen Hand das Messer aus Reverend Shorts Griff und begann ihn mit der anderen zu würgen.

Seine Knie umklammerten Reverend Shorts Körpermitte, während er ihm die Kehle zudrückte. Reverend Shorts kurzsichtige Augen begannen vorzuquellen wie Bananen, die aus ihrer Schale gequetscht werden, und alles, was er sehen konnte, war die glühende Narbe, die sich auf Johnnys blutroter Stirn wie ein gereizter Octopus blähte und zuckte.

Aber Reverend Short zeigte keine Anzeichen von Furcht.

Gerade bevor Johnny dem Prediger den dünnen Hals brach, faßte er sich wieder. Er atmete tief ein, und sein ganzer Körper schauderte, als ob sein Gehirn ein elektrischer Schlag getroffen hätte. Dann nahm er seine Hände von Reverend Shorts Kehle, richtete sich, immer noch auf ihm hockend, auf und sah nüchtern in das bläuliche Gesicht auf dem Bett unter sich hinunter.

«Prediger», sagte er langsam. «Sie reizen mich noch so lange, bis ich Sie umbringe.»  - Chester Himes, Fenstersturz in Harlem. Reinbek bei Hamburg (rororo thriller 2348, zuerst 1959)

 

Mann Reizbarkeit

 

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