ann, reicher   Als ich damals zu ihm kam, hatte er eine Frau - Henrietta hieß sie, eine habgierige Person, ein widerliches Stück. ›Wo hast du diese Xanthippe aufgegabelt?‹ habe ich ihn gefragt. ›Herschel‹, sagte er, ›ich war verblendet. Hilf mir, denn wenn du es nicht tust, wird sie mich unter die Erde bringen.‹ Damals lebten sie noch nicht getrennt. Er hatte ein Büro, und ich zog dort ein. Von Henriettas Kocherei hatte er sich Magengeschwüre geholt - sie würzte alles zu stark. Wer weiß, vielleicht wollte sie ihn vergiften. In dem Büro stand ein Gasherd, und ich wurde sein Koch. Er hat zwar einen Führerschein, aber er kann nicht fahren. Wenn er chauffiert, gibt es sofort Unfälle, so wurde ich sein Chauffeur. Ich kann die Verkehrsschilder sehr wohl lesen; ich habe ihn nie dazu gebraucht, das für mich zu tun. Wenn ich einmal eine Straße gefahren bin, so erkenne ich sie mitten in der Nacht wieder. Wir wurden wie Brüder - vielleicht standen wir uns sogar noch näher. Er ließ sich noch ein paar Jahre lang von Henrietta quälen und er hatte von ihr zwei Töchter und einen Sohn. Keiner von denen taugt etwas. Seine ältere Tochter ist schon fünfmal geschieden. Die andere ist eine bösartige alte Jungfer. Und der Sohn wurde Rechtsanwalt, Gangsteranwalt. Ehe die schweren Jungens ein Ding drehen, gehen sie zu ihm und lassen sich beraten, wie man um die Gesetze rumkommt. Boris hat gesagt, daß ich ein Pferd gestohlen habe. Ich habe es nicht gestohlen. Es gehörte meinem Vater. Wo war ich stehengeblieben? Ja, daß Henrietta sich nicht von ihm scheiden lassen wollte. Warum sollte sie sich scheiden lassen, so lange sie alles haben konnte, was sie wollte? Heute ist es  etwas leichter, ein böses Weib loszuwerden. Damals konnte jedes Flittchen sich für eine Lady halten und ihren Mann vor Gericht bringen. Boris ist verrückt nach Weibern, mich ziehen sie nicht an. Die meisten Frauen sind >Goldgräber<. Alles, was sie wollen, ist Geld. Ich kann diese Falschheit nicht leiden, aber Boris läßt sich gern hochnehmen. Schriftstellerinnen gegenüber, oder Malerinnen und Schauspielerinnen, ist er ganz hilflos. Wenn sie ihn mit ihrem katzenfreundlichen Gewäsch aus den Büchern umgarnen, verliert er den Verstand. Nachdem er die Trennung von Henrietta erreicht hatte, zog Boris in eine Wohnung an der Park Avenue, und ich verließ das Büro und zog mit ihm zusammen. Wie oft kam er nach Hause und rief aus: ›Harry, ich halte es nicht mehr aus - sie sind so falsch wie die heidnischen Götter!‹ ›Schmeiß sie hinaus‹, antwortete ich ihm. Dann fiel er auf die Knie und schwor bei der Seele seines Vaters, daß er sie zum Teufel schicken würde, und am nächsten Tag kam er mit der einen oder anderen zurück.  -  Isaac Bashevis Singer, Die Silvesterfeier. In: I.B.S., Leidenschaften. Geschichten aus der neuen und der alten Welt. München 1993. (zuerst 1975)
 
 

Mann

 

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