Mann, quicklebendiger   Als er  nach zwei- oder dreimaligem Klopfen keine Antwort erhielt, trat er ein und sah den Körper Lord Argentines mit dem Kopf nach unten über der Bettkante liegen. Sein Herr hatte an einem der zierlichen Bettpfosten sorgfältig einen Strick befestigt, eine Schlinge geknüpft und sich dieselbe um den Hals gelegt; dann muß sich der unglückselige Mann entschlossen nach vorn geworfen haben, um eines langsamen Erstickungstodes zu sterben. Er hatte noch die leichte Kleidung an, in der ihn der Diener hatte ausgehen sehen. Der Arzt, der sofort hinzugezogen wurde, konnte nur noch feststellen, daß der Tod schon vor mehr als vier Stunden eingetreten war. Argentines Papiere und Briefe und so weiter waren völlig in Ordnung; nichts deutete auch nur von ferne auf irgendeinen größeren oder kleineren Skandal hin. Hier endete die Beweisaufnahme, es war alles, was man herausbekommen konnte. Bei der Dinner-Party, an der Lord Argentine am Abend zuvor teilgenommen hatte, waren noch mehrere Personen anwesend gewesen; alle hatten den Eindruck, daß er dabei seine gewohnte Heiterkeit an den Tag gelegt hatte. Zwar meinte der Diener, sein Herr sei ihm ein wenig aufgeregt vorgekommen, als er zurückkam, doch sei diese Veränderung in seinem Benehmen nur sehr leicht und kaum wahrnehmbar gewesen. Es schien aussichtslos, nach irgendwelchen Anhaltspunkten Ausschau zu halten; und schließlich wurde die These, der Lord müsse von einem plötzlichen selbstmörderischen Wahn befallen worden sein, allgemein akzeptiert. Das änderte sich, als innerhalb von drei Wochen drei weitere Gentlemen, ein Adeliger und zwei vermögende Herren aus der guten Gesellschaft, auf fast dieselbe Weise elendiglich umkamen; Lord Swanleigh fand man eines Morgens in seinem Ankleidezimmer an einem Wandhaken aufgehängt, und Mr. Collier-Stuart sowie Mr. Herries hatten die gleiche Todesart gewählt wie Lord Argentine. In keinem Falle gab es irgendeine Erklärung, sondern nur ein paar krude Fakten: einen quicklebendigen Mann noch am Abend zuvor und eine Leiche mit schwärzlichem, aufgedunsenem Gesicht am nächsten Morgen.  - Arthur Machen, Der große Gott Pan, in: A.M., Die leuchtende Pyramide. Frankfurt am Main 1982
 
 

Mann

 

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