Mann, langweiliger  Einmal waren sie den ganzen Viale Corsica hinter einem alten Mann hergegangen, der sympathisch aussah. Auf einmal stürzte er und fiel hin, die Kinder liefen zu ihm, um ihm aufzuhelfen, aber er hörte nicht auf sie und kümmerte sich nur um seinen Mantel: »Ich werde mir wohl den Mantel hinten schmutzig gemacht haben«, sagte er. Und da er nicht auf sie achtgab, als sie ihn fragten, wie er sich fühle und ob er weitergehen könne, sondern nur an seinen Mantel dachte, ließen sie ihn sausen. Nach ein paar Schritten stürzte der alte Mann aufs neue, und Passanten sagten, er sei an einem Herzinfarkt gestorben. Auch dieser Alte war langweilig.   - (gcel)

Mann, langweiliger (2)  Billy - das sag ich heute noch-war eine Frau von Format. Sie hatte ihr Jurastudium abgeschlossen. Alle Männer waren nach ihr verrückt. Sie galt als Vamp und lief auf Pfennigabsätzen. Sie vernaschte und wurde vernascht. Deshalb wurde auch nichts aus unserer Ehe, was wir bedauerlich fanden; denn Sibylle hatte einen häuslichen Zug, der auch später, als sie sich schon entschlossen hatte, andersgeartet zu sein, betulich ausgelebt wurde: sie nahm das Mäxchen (mit seinem Seesack voller Gammelzeug} in ihre Wohnung auf, die eigentlich schon unsere Wohnung gewesen war: mit Kinderzimmer und Doppelbett.

Das Mäxchen sah aus wie ein menstruierender Junge, platt und fragil, während Sibylle die Maße eines Pin-up-Girls hatte: Typ Stars and Stripes. Auch Siggi und Fränki wohnten in Wohngemeinschaft, doch locker im Verhältnis zueinander, immer auf Suche und unruhig wie dreijährige Hengste. Sie waren, bei allem männlichen Gehabe - immer in Hosen, die Stimmen im Keller - vier kluge und ganz normal exaltierte Mädchen, die sich, weil sie zu oft auf doofe Jungs oder langweilige Männer (wie mich) gestoßen waren, ins eigene Geschlecht verkrochen hatten. Jetzt wollten sie anders, unbedingt anders sein. Dabei hätte ich es mit jeder von ihnen gekonnt. Und mit Sibylle habe ich im großen und ganzen prima geschlafen. Und die kühle Siggi habe ich ganz normal durchgezogen, ohne daß sie geklagt hätte hinterher. Und auch das Mäxchen wurde von mir, als es mit Billy ihren Schleckleck anfing, wie nebenbei vernascht. Nur Fränki, dieses Fuhrmannsgemüt, lag mir nie.

Jedenfalls begannen sie alle vier, eines Tages verrückt zu spielen: »Das geht nicht mehr. Das ekelt uns. So plump kann man uns nicht kommen. Wir sind ganz andere Zärtlichkeiten gewohnt. Ihr wollt doch bloß immer rein raus und fertig. Aufreißen und liegenlassen. Das kann man mit uns nicht machen, nicht mehr. Bedien dich sonstwo. Tut uns leid. Wir sind nun mal anders geartet. Na schön: anders geworden. Vorher, das zählt nicht. Das mußte man hinter sich bringen, und zwar konsequent. Können ja trotzdem Freunde bleiben. Komm doch mal wieder vorbei, auffen Schnaps und so.«  - Günter Grass, Der Butt. Frankfurt am Main 1979

 

Mann Langeweile

 

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